Danko

 

Mein bester Kumpel Danko ist nicht mehr hier. Acht Jahre waren wir dicke Freunde. Wie gerne habe ich mit ihm Tauziehen gespielt. Gewonnen habe immer ich, obwohl er dreimal so groß und dreimal so schwer war wie ich. Dass das nicht mit rechten Dingen zugehen konnte, war mir egal. Jedes Spielzeug hat er sich von mir ohne murren und knurren abnehmen lassen, das war ein Spaß, es war eine schöne Zeit. Als Danko vor acht Jahren zu uns stieß, war er schon mindestens genauso alt und bis dahin hatte er nicht viel schönes in seinem Leben erlebt.

Frauchen hatte ihn zunächst „nur“ als Pflegehund aufgenommen und die Angelegenheit weitgehend hinter Herrchens Rücken eingefädelt. Der war davon zuerst überhaupt nicht begeistert, aber er kennt ja Frauchen und weiß, dass Widerstand bei ihr zwecklos ist. Schon nach nur einer Woche war sich die gesamte Familie darüber einig, dass der „Dicke“, so nannten sie Danko, für immer bleiben sollte.

 

Dankos Gesundheit war zu dem Zeitpunkt ein wenig angeschlagen. Von seinem Vorleben an der Kette und im Zwinger verfügte sein Körper kaum über Muskulatur. Das Eingeschlossensein hatte außerdem dazu geführt, dass er sich selbst, durch ständiges Benagen, an beiden Vorderbeinen tiefe Wunden zugeführt hatte, die nur sehr zögerlich wieder verheilen wollten. Er bekam vom Tierarzt verschiedene Salben, Spritzen und Medikamente und so langsam aber sicher, wurden die offenen Flächen an den Beinen kleiner und kleiner. Durch das viele Herumtollen im Garten steigerte sich auch seine Kondition und seine Muskeln wurden zusehends kräftiger. Nach ein paar Monaten guter Pflege, war aus Danko ein starker, ausdauernder Hund geworden, das hätte zu Beginn wohl niemand für möglich gehalten.

 

Wir hatten jede Menge Spaß auf unseren langen Waldspaziergängen und Danko war vom Autofahren ebenso begeistert wie ich, nach dem Motte: egal wohin, Hauptsache dabei sein. Wir bereisten gemeinsam mit unseren Leuten dreimal Spanien, die Normandie in Frankreich, wir waren auf Rügen an der Ostsee, in Holland an der Nordsee, im Emsland und im Odenwald.

Mit den Jahren ließen es Danko und ich immer ruhiger angehen, wir verbrachten auf unseren Runden viel mehr Zeit mit herumschnüffeln als früher.

Im Gegensatz zu mir, war Ballspielen nicht so ganz sein Ding, Dankos Lieblingsspielzeug war neben besagten Tauen, ein altes zusammengeknotetes Hemd von Herrchen, das hatte sich Danko, mit Pfoten und Zähnen,  sozusagen passend gemacht.

Fühlte Danko sich so richtig wohl, dann schubberte er sich mit seinem dichten Pelz, sehr zum Leidwesen von unseren Menschen, intensiv und mit lauten brummenden Tönen an der Wand, an Sofa und Sessel entlang und ließ sich schließlich mit einem geräuschvollen Plumpsen auf den Teppich, vor die menschlichen Füße fallen, streckte alle Viere in die Luft und wenn sich dann endlich ein Mensch erbarmte, um ihn zu kraulen, wurde man von Danko dafür mit seinem breitesten Grinsen belohnt, er lachte dann wirklich.

Wenn ums Futter ging, da war Danko ebenso wenig wählerisch wie ich, uns schmeckte alles, vor allem aber Frauchens selbst gebackenen Leckerlis, die sie für uns zu allen möglichen Gelegenheiten machte.

 

Dankos Lieblingsjahreszeit war wohl der Winter, je weiter die Temperaturen sanken, desto lustiger wurde er, ich konnte das ja nie verstehen, was er daran schönes fand. Jedes Mal, wenn das Gras mit Raureif bedeckt war, nahm er die für uns Hunde typische Spielhaltung ein, Vorderkörper runter, Hinterteil hoch und dann drückte er sein Gesicht auf den Raureif. Einmal mit der linken Seite, einmal mit der rechten Seite rutschte er so quer durch den Garten. Dabei gab er immer wieder, das für ihn typische Wohlfühlbrummen von sich. Herrchen und Frauchen mussten jedes Mal auf neue Lachen, wenn sie das Schauspiel mit ansahen. Auch wenn es Schnee gegeben hatte wurde Danko besonders munter, ich hingegen nicht so sehr, aber er konnte davon gar nicht genug bekommen. Ständig schob er dann seine Nase tief in die weiße Pracht und schnaubte laut hörbar vor sich hin. Hatte er genug davon, dann begann er wie ein Verrückter immer ausgelassener herumzurennen, solange bis ihm schließlich irgendwann die Puste ausging, aber er hatte eine Menge Ausdauer.

Besonders lustig fand ich ebenfalls, seine kuriose Angewohnheit, sein großes und kleines Geschäft nach der Verrichtung zuerst genau zu beschnüffeln und es anschließend mit Schnee zu bedecken, den er mit seiner Schnauze darüber schob, ehrlich ich kenne keinen anderen Hund, der das auch macht. Erst wenn alles vollständig bedeckt war, war auch er zufrieden. Das war zumindest bei einem großen Geschäft so einiges an Arbeit, denn Danko hatte die Eigentümlichkeit, dieses nicht auf eine Stelle abzuhalten und dabei stehen zu bleiben, bis es erledigt ist, er ging währenddessen Stück für Stück einen oder zwei Meter voran, was Frauchen nicht erfreute, denn sie musste gleich an mehreren Stellen einsammeln, aber ich habe sie darüber nie Murren gehört.

 

Auch über seine Gangarten habe ich mich oft amüsiert, Danko hatte einen Trippeltrab, es sah fast so aus, wie eine spezielle Gangart der Islandpferde. Wenn er in den schnellen Galopp wechselte, schwang er die Vorderbeine gleichzeitig nach vorne und warf die Hinterbeine hinter sich. Die Ohren presste er dabei soweit es ihm möglich war eng an den Kopf, aber das klappte schon wegen seinem verkrüppelten Knickohr nicht. Die Mundwinkel zog er dabei weit nach hinten, dass es wie ein Lachen aussah.

 

Danko hatte aber mit noch einer Eigenart aufzuwarten und das war seine Liebe zum Wasser. Anfangs stellte er beim Trinken immer eine Pfote mit in den Wassernapf, ich dachte ja zuerst, er macht das, damit der Napf nicht wegrutscht, aber Danko stellte sich an warmen Tagen mit den Pfoten in den Wassereimer, der für uns draußen stand. Waren seine Pfoten gekühlt, dann tauchte er seinen Kopf in den Eimer. Frauchen und Herrchen erkannten seine Wasserliebe und stellten für ihn ein Planschbecken im Garten auf, das er auch sehr gerne benutzte. Auch auf Spaziergängen ließ er keine Pfütze aus, um mit Anlauf hinein zu springen. Fressen, durch die Wälder streifen, Autofahren, einen gemütlichen Ruheplatz und im Wasser matschen, das waren wohl seine größten Leidenschaften.

 

Die Lebensfreude die der ehemals so geschundene Hund mitbrachte war riesengroß, Danko brachte uns alle mehrmals täglich zum Lachen. Er war nie aufdringlich, immer eher zurückhaltend, gut wenn es ums Fressen ging, vergaß er die Zurückhaltung gelegentlich, aber er war nie fordernd. Auch bei der Verteilung von Streicheleinheiten wartete Danko geduldig darauf, bis er an der Reihe war. Besonders genoss er es, wenn man ihm unter dem Kinn kraulte, dann rieb er seinen mächtigen Kopf an der wagerechten Handinnenseite kräftig hin und her. Auch hierbei ließ er immer sein Wohlfühlbrummen erklingen.

 

Seit unser großer befellter Freund nicht mehr da ist, ist Frauchen sehr ruhig geworden, ich glaube sie vermisst Danko sehr, um ein wenig zu trösten schlüpfe ich nachts mit ins Bett, am Fußende da ist mein Platz, dann fühlen wir uns etwas  wohler. Auch ich vermisse ihn.

 

In den letzten Tagen, bevor er für immer eingeschlafen ist, war Danko kaum wieder zu erkennen. Unser sonst so lustiger Dicker lag nur noch auf seinem Lieblingsplatz, noch nicht einmal zum Fressen stand er auf. Frauchen brachte ihm seine Mahlzeiten quasi direkt vor die Schnauze, doch er fraß von Tag zu Tag weniger, irgendwann fraß er überhaupt nichts mehr. Alleine konnte er auch nicht mehr aufstehen, Frauchen half ihm hoch und stütze ihn auf den ersten Schritten, damit er nicht umfallen konnte. Einige Male war der Tierarzt bei uns, dann tuschelte er mit Frauchen vor der Tür, so dass ich zwar die Worte nicht verstehen konnte, aber ich verstand auch ohne Worte was kam.

Alle meine Lieblingsspielzeuge, vor allem immer wieder meinen plüschigen Quietschball,  brachte ich Danko und versuchte ihn durch anstupsen, die Ohren belecken und die Schnauze abschlecken aufzumuntern, aber nichts half.

Dann kam der Morgen an dem bei Danko gar nichts mehr ging.

 

Solch einen Freund findet man nur einmal im Leben.

 

Dein freundliches Wesen war wohl einmalig, du verstandst dich einfach mit jedem Artgenossen und Mensch. Begegnete uns einmal ein unfreundlicher Hund, so würdigtest du ihn keines Blickes. Nur eine Sache gefiel dir überhaupt nicht, und das war das Alleinbleiben. Ich mag das auch nicht sonderlich, aber zum Glück war fast immer ein Mensch im Haus und wir mussten nie den ganzen Tag auf unsere Leute warten, gelegentlich nur einige Stunden und zusammen haben wir das immer gut hinbekommen. Nun muss ich sehen wie ich das so ganz alleine schaffe, das wird nicht einfach werden.

Auch ich vermisse dich Danko schrecklich, mach es gut alter Kumpel, wo immer du auch bist, ich werde dir eines Tages folgen.

Traurig schaue ich auf deinen leeren Lieblingsplatz, wem soll ich nun das Spielzeug mopsen? Der Platz an dem dein Napf stand ist leer, wessen Napf soll ich nun kontrollieren, ob er auch wirklich sauber ausgeschleckt ist?  Die Spaziergänge sind langweilig so alleine, mit dir gab es immer so vieles zu entdecken, mit wem soll ich nun um die Wette schnüffeln?

Tschüß, guter alter Danko, du fehlst uns, wir werden dich immer in guter Erinnerung behalten.

 

©Ute Dissemond, Jan. 2014