Der Weihnachtsbaum

 

Jedes Jahr im Dezember wird ein Baum im Wohnzimmer aufgestellt. Die Bäume wachsen hier auf einer Plantage nur ein paar Minuten vom Haus entfernt. Auch ich kenne die Bäume, denn auf unseren Gassirunden kommen wir oft genug daran vorbei. Manchmal bleiben meine Menschen dann stehen und beratschlagen, welcher Baum der schönste ist.

 

Bis vor einigen Jahren haben Herrchen und Frauchen immer gemeinsam den passenden Weihnachtsbaum ausgesucht. Doch einmal war der Mann in seinem Verkaufbüdchen, der den auserwählten Baum mit der Kettensäge ganz frisch abschneidet, dem Nervenzusammenbuch nahe und das war Frauchens Schuld. Der eine Baum war zu groß, der andere zu breit, der nächste zu schmal, und so ging es weiter, dann schienen sich meine Leute endlich entschieden zu haben, der Mann hatte die Säge schon angeworfen, da rief Frauchen:

„Halt, Stopp ich glaube wir nehmen doch lieber den wir uns zu erst angesehen haben. Wo stand der noch mal?“

Zu Hause angekommen stellte Herrchen dann fest, das Frauchen wohl den Baum mit dem krummsten Stamm ausgesucht hatte, der auf dem Tannenbaumfeld zu finden war.

Frauchen wurde daraufhin stinksauer, denn sie fand den Baum nach wie vor schön und fauchte Herrchen entgegen:

„Dann such nächstes Mal gefälligst einen alleine aus, ich komme jedenfalls nicht mehr mit!“

Na ja und so war es dann auch. Natürlich beäugte sie jeden von Herrchen allein ausgewählten Weihnachtsbaum besonders kritisch. Meistens war sie jedoch mit Herrchens Wahl sehr zufrieden und insgeheim froh, dass ihr die Auswahl erspart blieb. Doch im letzten Jahr meinte sie:

„Der sieht aber schwer nach Waldsterben aus, guck mal wie mickrig der ist, da sind ja gar keine Äste um Kugeln aufzuhängen!“

Diesmal war Herrchen ziemlich mürrisch, denn ihm gefiel der kleine Baum. Nach langen Versuchen, für den armen Weihnachtsbaum die beste Seite herauszufinden, hatte Frauchen plötzlich die Idee jede Menge Lametta hineinzuhängen und dann gefiel auch ihr das Bäumchen und friedlichen Feiertagen stand nichts mehr im Weg.

 

Nun ist es wieder soweit und Herrchen hat, um diesmal keinen Fehler zu machen, die Kinder mitgenommen. Die drei sind stolz wie Oskar und haben den verschnürten Baum erst einmal im Garten in einen Eimer mit Wasser gesteckt und an die Garagenwand gelehnt. Während Frauchen im Haus noch mit allerlei beschäftigt ist, habe ich mich daran gemacht, den Baum zu inspizieren und bei der Gelegenheit, nachdem ich mich versichert hatte, dass mich niemand beobachtet, gleich noch etwas Wasser nachgegossen und ihm somit eine unverwechselbare Duftnote gegeben.

 

Jetzt ist der Baum schon zum zweiten Mal im Wohnzimmer. Das erste Mal war nur kurz, denn Frauchen meint, der Baum stinkt. Nach nur sehr flüchtigem Zögern sah Herrchen mich sehr streng an und sagt:

„Och ne, Tónis, das darf doch nicht wahr sein, du alter Saubär.“

Mit diesen Worten löste Herrchen den Tannenbaum wieder aus dem Halter, brachte ihn nach draußen und spritzte ihn mit dem Wasserschlauch gründlich ab. Nachdem der Weihnachtsbaum in diesem Jahr nun zum zweitenmal aufgestellt wurde sind wieder alle zufrieden und Herrchen sagt zu Frauchen:

„Das nächste Mal suchen wir wieder einen zusammen aus.“

„Okay, aber dann nehmen wir eine Fichte, die riecht besser, und langanhaltender, außerdem müssen wir Tónis unbedingt besser im Auge behalten, sonst wird das nichts mit dem Weihnachtsduft.“

 

©Ute Dissemond, Dezember 2012

 

 

Spurlos verschwunden

 

Jedes Mal, wenn ich in meinen Garten hinaus gehe, nehme ich meine Lieblingsspielzeuge mit. Dazu gehören die Plüschente, der große Zottelball, der kleine Elch, das original quiekende Schwein und noch vieles mehr. Wenn Frauchen hinaus schaut, meint sie immer, dass es dort so aussehe, als wäre meine Spielzeugkiste zerplatzt. Ich bin da anderer Meinung, mir gefällt der Anblick.

 

Als meine Leute neulich vom Einkaufen zurück kamen, schenkten sie mir ein neues rundes, braunes Plüschteil, im Leopardenlook. Ich liebe dieses Teil es quietscht so schön laut, lässt sich so gut hoch in die Luft schleudern und wieder fangen. Das ist mein neues Lieblingsspielzeug. Selbstverständlich musste dieses neues Teil auch mit hinaus, dort lässt es sich sowieso viel besser spielen.

 

Den ganzen Tag amüsierte ich mich mit meinem neuen Quietschi.

 

Dann hörte ich ganz leise eine Maus im Gebüsch rascheln und musste sofort dorthin, Frauchen bemerkte das sogleich und rief mir hinterher:

„He Tónis, verschlepp es nicht hinter die Hecke!“

Natürlich hatte ich sie gehört, aber es war mir egal, ich sprang mit samt Quietschi ins Gebüsch und kam auch mit Spielzeug wieder heraus und was diesem Punkt betrifft, da bin ich mir ganz sicher.

Danach lag es eine ganze Weile mitten auf der Wiese bei den anderen schönen Sachen. Am Abend schleppte Frauchen, wie an jedem schönen Tag, alles wieder ins Haus, dabei fiel ihr auf, dass das neue Spielzeug fehlte, sie vermutete, dass ich es schon hinein getragen hatte.

 

Am nächsten Morgen stutzte Frauchen, als sie meine Spielsachen erneut kontrollierte, denn es wunderte sie doch sehr, dass ich heute nicht, wie sonst üblich, mit dem neuen Teil zu ihr hingerannt kam.

Sofort legte sie die Tageszeitung beiseite und vergaß den Kaffee zu trinken, denn die Suchaktion hatte begonnen. Sie rutschte auf den Knien durch die Wohnung und schaute dabei in jede Ecke, hinter den Vorhängen, unter dem Sofa, in die große Bodenvase, in die Schuhe, aber mein neues Spielzeug blieb verschwunden.

Da mein Frauchen sehr hartnäckig aber auch überaus gründlich ist, weitete sie die Suche selbstverständlich auf den Garten aus. Wieder ging sie auf die Knie, teilte mit den Händen die Blätter auseinander und kroch, mit dem Kopf voran zuerst unter und dann hinter die Hecke, die den gesamten Garten umgibt und sie ging tatsächlich die gesamte Länge ab. Ich hingegen setzte mich in die Mitte des Rasens und schaute mir die Sache aufmerksam an. Als Frauchen wieder zum Vorschein kam, sah sie ziemlich schmutzig aus und in ihren Haaren hatten sich zahlreiche Blätter verhangen. Sie schüttelte sich heftig, fast so wie ein Hund, dass hat sie sich wahrscheinlich von mir abgeguckt, danach ging die Suche zwischen den Sträuchern weiter, die sie durchwühlte. Sogar meine geheimen Kuhlen blieben von der Suche nach dem verlorenen Spielzeug nicht verschont. Etwas verwundert trat Herrchen in den Garten gesellte sich zu mir und fragte:

„Kann ich dir irgendwie helfen?“

Frauchen schüttelte nur den Kopf und antwortet:

„Mir ist nicht mehr zu helfen, ich bin fertig und das neue Quietschi ist weg, es ist nirgends zu finden.“

Ratlos wandte sie sich an Herrchen.

„Glaubst du, es ist möglich, dass es eine von den Elstern, die jeden Morgen im Garten herum hüpfen, mitgenommen hat? Ich habe jetzt wirklich alles abgesucht, aber es ist spurlos verschwunden! Ich glaube, es ist auf die gleiche Weise verloren gegangen, wie damals der tomatenrote Golfball im Garten gelandet ist.“

„Ich weiß nicht, vielleicht hat Tónis es ja doch irgendwo verbuddelt, es wird bestimmt irgendwann wieder auftauchen.“

Herrchen irrte sich, es ist bis heute nicht mehr aufgetaucht, wo mein Spielzeug letztendlich abgeblieben ist, wir wohl eines der ungelösten Rätsel dieser Welt bleiben und ich bin mir ganz sicher, dass ich es nicht verbuddelt habe.

 

©Ute Dissemond, November 2012

 

 

 

Löcher im Rasen

 

Ich buddele für mein Leben gern Löcher, vor allen Dingen im Rasen und am liebsten so richtig tief. Leider darf ich dieses Hobby nicht so leidenschaftlich ausüben wie ich möchte, denn im Garten, besonders mitten auf der Wiese hat es Frauchen strikt verboten.

Auf Spaziergängen am Wegrand lässt sie mich zwar so viel buddeln wie ich will, aber zu Hause, passt sie auf wie ein Luchs und es wird nichts daraus, mit der schönen Buddelei.

Natürlich bin ich nicht dumm und habe mir deshalb angewöhnt nur im Dunkeln im Garten zu graben, besonders im hinteren Teil des Gartens, denn dort ist kaum Licht und mein Schaffen bleibt meistens unbemerkt, weil Frauchen bei Dunkelheit offensichtlich schlechter sehen kann. Werde ich doch einmal dabei auf frischer Tat ertappt, dann folgt jedes Mal von ihr ein Wortschwall, der einem Donnerwetter gleicht, manchmal geht ihr Temperament da schon mal mit ihr durch. Unter uns gesagt, wenn ihr etwas so überhaupt nicht in den Kram passt, kann sie zum Drachen mutieren. Aber leider ist Frauchen auch nicht dumm, denn seit geraumer Zeit schleicht sie abends mit Brille und Taschenlampe hinter mir her.

 

 „In unserem Garten ist es hinten zu dunkel, dort fehlen ein paar Lampen. Solche, wie im Ferienhaus waren, die würden mir gefallen und dazu noch gut in unseren Garten passen.“

Herrchen erfreut die Idee und die Beiden ziehen los, um Lampen zu kaufen.

 

Na ja, ich war eigentlich dagegen, aber auf mich hört hier keiner, mir hat es so wie es bisher war gut gefallen, wegen mir brauchen Herrchen und Frauchen sich nicht solche Umstände machen.

 

Doch bevor die neuen Lampen aufgebaut werden, fängt Herrchen an zu graben, er meint zu Frauchen:

„da hinten liegt kein Strom, ich muss erst ein Leerrohr verlegen, bevor man die Lampen anschließen kann.“

„Das ist doch kein Problem, oder? Bis zum Springbrunnen liegt doch ein Kabel.“

 

Herrchen macht sich ans Werk, zuerst sticht er den Rasen mit dem Spaten ab, dann nimmt er die Spitzhacke zur Hand und ich traue meinen Augen nicht, er zieht tatsächlich eine tiefe Rille quer durch den Garten. Hoffentlich sieht Frauchen das nicht, denn ich weiß ja was dann kommt. Doch diesmal ist es ihr egal! Okay, denke ich mir, die Gelegenheit kommt wahrscheinlich so schnell nicht wieder und helfe Herrchen tüchtig. Wir haben so tief gegraben, das Regenwürmer und dicke Larven zum Vorschein kommen und ich kann da einfach nicht wiederstehen, ich muss sie gleich probieren und stelle fest, dass sie ausgezeichnet schmecken. Herrchen jedoch dreht sich angewidert weg.

 

Als Herrchen fertig ist, füllt er unsere Rille mit Erde und legt die zuvor abgestochenen Rasenstücke obendrauf, dass es wieder genauso aussieht wie zuvor.

Ich verstehe beim besten Willen nicht was das soll. Erst gräbt er ein Loch, dann schüttet er es wieder zu, obwohl so tolle Sachen noch darin sind? Meine Menschen sind mir manchmal ein Rätsel. Immer wieder gehe ich jeden Zentimeter der zugedeckten Rille mit der Nase am Boden ab, ich kann die Krabbeltiere darin riechen und die Sachen die Herrchen noch dazu getan hat.

Am Abend erhellen die neuen Lampen zum ersten Mal den Garten, der Springbrunnen plätschert dabei und vorbei ist es mit meiner heimlichen Leidenschaft, dem Buddeln im Rasen, Frauchen sieht jetzt alles bis in die hinterste Ecke des Gartens, sogar ohne Brille.

Dennoch scheint sie mit Herrchens Arbeit nicht zufrieden zu sein und schüttelt den Kopf.

 

“Das habe ich mir anders vorgestellt“, zetert sie rum, „es wäre viel besser, wenn man die Lampen und den Brunnen separat schalten könnte, denn so sind die Lampen auch über Tag an, wenn der Brunnen läuft.“

Herrchen schaut nachdenklich drein, denn er weiß, dass Frauchen, auch wenn er es nicht zugibt, irgendwie doch Recht hat.

Meinetwegen könnten sie die ollen Lampen wieder abbauen, aber ich ahne, dass die Beiden mir den Gefallen doch nicht tun werden.

Es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als nach einer neuen Lösung für mein Hobby, dem ungestörten Buddeln zu suchen.

Und Herrchen wird sich wohl oder übel, noch mal ans Werk mit dem Brunnen und der Beleuchtung machen müssen, denn auch er weiß, dass Frauchen nicht eher Ruhe geben wird, bis das Problem gelöst ist.

So ist das eben, da müssen wir durch, denn Frauchens Zuneigung ist uns wichtig.

 

©Ute Dissemond, Oktober 2012

 

 

 

Wettpinkeln mit Folgen

 

Diesmal führt unsere Runde zum „Kamelleboom“, das sind die konservierten Baumreste einer uralten Eiche, welche die Grenze zwischen den Gemarkungen bildete. Früher, als die Bauern zum Markt fuhren, nahmen sie auch oft die Kinder mit, um diese wiederum auch auf dem langen, Heimweg bei Laune zu halten, wurden Süßigkeiten gekauft und einem vorausfahrenden Nachbarn mitgegeben, um diese im Kamelleboom zu verstecken. Dieser Brauch soll im 19. Jahrhundert entstanden sein.

 

Wir fahren durch Heimerzheim in Richtung Bornheim und stellen den Wagen auf dem Parkplatz „Dützhof“ ab, von dort aus geht es direkt in den Wald. Carlos, ein Freund von Tónis, und sein Frauchen begleiten uns heute. Die beiden Hunde haben jede Menge zu schnuppern und es erweckt den Anschein, als hätten sie sich vorgenommen, jeden einzelnen Baum zu markieren. Ein wahres Wettpinkeln beginnt und jedes Mal, wenn der Eine fertig ist, muss der Andere unbedingt noch einige Tropfen draufsetzen, am liebsten auch noch etwas höher, als sein Vorgänger, und um das zu erreichen, sind Tónis und Carlos beide sehr erfinderisch.

Am Wegrand taucht an einem Baumstamm ein Hügel auf.

Ich rufe noch: „Nein, nicht da!“

Doch die beiden Hunde drehen sich nur kurz zu uns um, als wollten sie sagen:

„Was ist denn mit dir los, da ist doch nichts.“

Carlos ist als erster auf der Erhöhung, einem gigantischen Ameisenhügel, und bemüht sich, die letzten Tröpfchen loszuwerden, Tónis gleich hinterher und eifert ihm nach. Doch kaum sind die beiden wieder auf dem Weg, da beginnen sie fast gleichzeitig, sich wie wild unter dem Bauch zu kratzen und knabbern an ihren Beinen herum. Sie hüpfen, schütteln sich, es ist ein regelrechter Tanz den sie aufführen.

Natürlich halfen wir Tónis und Carlos gleich sich von den Ameisen zu befreien, aber ich muss gestehen, das ich meine Schadenfreude nicht ganz unterdrücken konnte. Während ich laut vor mich hin lachte, dachte ich leise, wer den Schaden hat braucht für den Spott nicht zu sorgen und wer nicht hören kann muss fühlen. Tónis und Carlos hatten inzwischen einen mitleiderregenden Blick aufgesetzt. Nachdem die letzte Ameise aus dem Fell entfernt war, setzten wir unseren Weg fort und erreichten ungefähr eine Stunde später den „Kamellenboom“.

Süßigkeiten hatte ich zuvor zwar keine versteckt, aber dafür gab es für die Hunde mitgebrachte Leberwurstbrotstücke zu erschnüffeln, zu finden und zu fressen, bevor wir gestärkt den Rückweg antraten.

 

©Ute Dissemond, September 2012

 

 

Urlaubszeit –(k)eine gute Zeit für Tiere

 

Gestern traf ich im Wald eine hübsche, aber schon ältere Hundelady. Wie bei euch Menschen auch, macht man sich als Hund auch erst mal miteinander bekannt und stellt sich vor. Ich erzählte ihr meine Geschichte, das ich ein Zugereister aus dem sonnigen Süden bin und so. Ich dachte immer mit meiner Geschichte kann ich bei den Mädels mächtig Eindruck schinden, aber als diese Hundedame mir ihre Lebensgeschichte erzählte kam ich doch mächtig ins Grübeln. Bisher ging ich davon aus, dass es den Hunden in diesem Land allen viel besser geht, als in meiner Heimat, dass es all die schrecklichen Dinge die welche den Hunden dort von Menschen angetan werden hier nicht existieren. Milli, so heißt meine neue Freundin belehrte mich.

 

Es geschah an einem heißen Augusttag vor zwölf Jahren, damals war Milli gerade ein Jahr alt. Sie hatte ein schönes Zuhause, bei Leuten die sie liebten, so dachte sie jedenfalls. Deshalb fand Milli auch nichts dabei als ihre Menschen auf einmal anfingen, Kleidungsstücke in große Behälter zu packen. Unbekümmert rannte sie umher und schleppte ihre Lieblingsspielsachen herbei und legte sie zu den Menschensachen. Ein neues Spiel dachte sie. Dann ging alles sehr schnell, die großen Koffer wurden in den Wagen gebracht und Milli durfte auch mit. Darüber freute sie sich sehr, denn Autofahren war für Milli immer ein großer Spaß.

 

Ich, Tónis habe da richtiges Glück mit meinen Menschen hier, ich darf bei jeder Reise meiner Leute mit dabei sein, viele Länder haben wir schon gemeinsam bereist, auf die kann ich mich wirklich vollkommen verlassen. Umso unglaublicher erscheint mir, was damals Milli passiert und sie erzählte mir doch glatt, das so etwas hier durchaus öfter vorkommt.

 

Sie waren noch nicht weit gefahren, als der Wagen plötzlich anhielt. Sie befanden auf dem Seitenstreifen einer Schnellstraße, die zu der Autobahnauffahrt führt. Milli’s Herrchen sagte:

„Komm, für dich ist hier Endstation.“

Milli spürte, das irgendetwas nicht stimmte und wollte nicht aussteigen, aber es half nichts, der Mann zerrte sie hinaus und band sie mit der Leine an die Leitplanke fest. Dann knallte die Tür ins Schloss und der Wagen verschwand.

Inzwischen war es Mittag und die Sonne brannte unaufhörlich auf Milli herab, sie hatte Durst und fürchterliche Angst vor den vielen schnell vorbeifahrenden Autos, LKWs und Bussen, vor lauter Angst kauerte sie sich dicht an den Boden gepresst und wagte es kaum zu Atmen, obwohl ihr Herz vor Aufregung heftig pochte.

Was Milli da noch nicht wusste, dass inzwischen jemand die Polizei verständigt hatte und schon bald Rettung nahte. Als die Männer von der Feuerwehr bei Milli ankamen, war sie aber bereits so verstört, das sie niemanden an sich heran lassen wollte. Sie knurrte und drohte was das Zeug hält und wollte sich eigentlich nur verkriechen, aber die kurze Leine hinderte sie daran. Doch einer der unterdessen eingetroffenen Polizisten hockte sich vor Milli hin und sprach in beruhigendem Ton zu ihr. Tatsächlich beruhigte sich Milli etwas und der Polizist konnte sich ihr langsam nähern, Milli bleibt weiter ruhig und so gelang es dem jungen Mann schließlich, den Hund aus seiner misslichen Lage zu befreien und ins städtische Tierheim zu bringen.

 

Nach Schichtende, auf dem Nachhauseweg musste er immer wieder an den Hund denken. Milli hatte etwa eine Schulterhöhe von fünfzig Zentimetern, sie war von kräftiger Statur, hat Schlappohren und ihr Fell war ganz kurz und schwarz-weiß-gefleckt, wie eine Kuh. Zuhause angekommen, bemerkte seine Freundin gleich, dass ihn irgendetwas bedrückte und im Gespräch erzählte er ihr von dem Hund, der heut gefunden wurde und den er ins Tierheim gebracht hatte und er erzählte auch von dem Blick des Hundes, wie er ihm hinterher schaute, als er beim Hinausgehen an dem vom Zwinger vorbei kam.

Die Beiden überlegten und redeten, waren sich aber letztendlich nicht sicher wie sie es bewältigen sollten, vor allem wegen dem Schichtdienst und der langen Abwesenheit über Tag. So vergingen einige Wochen, das Thema Hund war scheinbar abgehakt, aber für den Mann zumindest war der Hund nicht ganz vergessen. Der Alltag hatte das junge Paar fest im Griff.

 

Eines Tages jedoch führte den Mann noch einmal ein Einsatz zum Tierheim. Ist es nun Zufall oder Schicksal? Na ja, egal, jedenfalls kommt der Polizist wieder an dem Zwinger vorbei in dem Milli noch immer sitzt, sie erkennt ihn sofort wieder und läuft ihm bis zum Gitter entgegen. Ihre Blicke treffen sich erneut und der Mann fällt eine Entscheidung.

Nach Feierabend spricht er Zuhause erneut das Thema Hund an und am nächsten schichtfreien Tag darf Milli bei ihm und seiner Freundin einziehen, er hat Milli sozusagen gleich zweimal gerettet. Von da an hat Milli ein glückliches Hundeleben, sie taucht noch immer mit Vorliebe Steine aus dem Wasser, geht jeden Tag spazieren, darf genauso wie ich immer mit in den Urlaub reisen und hat im Laufe der Zeit ebenfalls schon viel von Europa gesehen. Dass sie auch täglich einige Stunden alleinbleiben muss stört sie dabei nicht weiter, denn irgendwie braucht auch ein aktiver Hund seine Zeit zum Relaxen.

 

©Ute Dissemond, August 2012

 

 

Silbersee

 

„Was hältst du heute von einer Runde durch die Felder, bei dem herrlichen Sonnenschein?“, fragt Herrchen.

„Ja für uns wäre es schön, aber du weißt doch, Tónis kann die Wärme doch nicht so gut vertragen.“

„Okay, da habe ich noch eine Idee, die wird sicher auch Tónis gefallen.“, und Herrchen tuschelt Frauchen seine Idee ins Ohr, die ihm daraufhin lächelnd zunickt.

Vorfreude und Spannung breitet sich bei mir aus, als Frauchen meine Leine in der Hand hält. Zu gerne wüsste ich wo es hingeht.

Kurz darauf sitzen wir im Auto und fahren den Swister Berg hinauf, Herrchen parkt den Wagen auf einem Waldparkplatz und wir spazieren los.

So langsam ahne ich, wo es hingeht und freue mich riesig. Da wir diese Runde nicht so oft nehmen habe ich hier immer besonders viel zu schnüffeln, man muss sich ja schließlich informieren. Herrchen und Frauchen nehmen es auch gemütlich und lassen mich gewähren. Auch wenn die Beiden lieber durch die Sonne laufen würden, nehmen sie immer Rücksicht auf mich. Es ist schon irgendwie merkwürdig, als so genannter „Sonnenhund“ (Tierheimhunde aus dem Ausland), sollte ich mich ja eigentlich über wärmere Temperaturen freuen, aber das ist nicht so, meine Leute hingegen sind da unempfindlicher als ich, aber die stecken schließlich auch nicht in einem dicken Pelz fest.

 

Als wir den See erreichen überkommt mich, wie bei jedem Gewässer, dass Verlangen hinein zu springen. Ein großer Baumstamm liegt direkt am Ufer, zum Teil im Wasser.

Ich hüpfte hinauf und sehe zwischen den hübschen Seerosen auf der gegenüberliegenden Seite eine Ente im Wasser, zu der ich am liebsten hinüber schwimmen möchte. Herrchen ist nun auch auf den riesigen Baumstamm gestiegen und albert darauf herum. An meine Leine, die er noch in der Hand hält, denkt er im Moment nicht. Als er mir den Rücken zu wendet und Frauchen zulächelt, höre ich gerade noch wie sie Herrchen zuruft:

„Hör mit dem Blödsinn auf und guck lieber was Tónis vor hat!“

Im nächsten Augenblick ertönt hinter mir ein lautes Platschen und Frauchen bricht in lautes Gelächter aus. Als ich mich umdrehe ist Herrchen doch glatt zu mir ins Wasser gesprungen und Frauchen biegt sich vor Lachen am Ufer.

Nun was war passiert? Gerade als Herrchen sich Frauchen zugewendet hat, entschied ich mich dafür zu der Ente rüber zu schwimmen. Bei meinem Sprung ins Wasser habe ich Herrchen, der damit nicht gerechnet hat einfach mitgenommen. Als wir beide wieder ans Ufer kommen, ist Frauchen immer noch am Lachen. Ich schüttele mich, doch Herrchen schaut nur schweigend an sich runter, er macht nun keine Späße mehr und sein Gesicht wirkt nicht mehr lustig.

„Schade, bei den schönsten Gelegenheiten, habe ich nie etwas zum Fotografieren dabei. Übrigens ist Baden in diesem See verboten!“, scherzt sie zu Herrchen, der noch immer triefend nass da steht und auf Frauchens Bemerkung nur mit einem müden, „ha, ha“, antwortet. Als wir unsere Runde um den See fortsetzen, brummelt Herrchen die ganze Zeit unverständliche Dinge vor sich hin und Frauchen habe ich schon lange nicht mehr so viel an einem Stück lachen sehen. Entgegenkommenden Passanten werfen Herrchen jedes Mal merkwürdige Blicke zu, was ständig dazu führt, dass Frauchen immer wieder von neuem Lachen muss.

 

Als wir an unserem Auto ankommen, sind wir, Herrchen und ich, schon beinahe wieder trocken. Bevor ich einsteige, schüttele ich ein letztes Mal mein Fell. Mit schon nicht mehr ganz so brummiger Mine leert Herrchen noch einmal das restliche Wasser aus seinen Schuhen und wringt seine Socken aus.

Schon bald, konnte auch er über sein unfreiwilliges Bad im See lachen. Mir hat das gemeinsame Schwimmen jedenfalls gut gefallen. Den allergrößten Spaß an unserer Runde hatte jedoch Frauchen. Schadenfreude ist eben doch die schönste Freude.

 

© Ute Dissemond, Juli 2012

 

 Die treue Hündin

 

Ich weiß schon welche Runde wir heute drehen, gleich erreichen wir den ehemaligen Ponyhof und Kora wird mich sicherlich schon erwarten. Sie bellt soweit ich weiß, jeden vorbeikommenden Hund an. Es ist zwar kein freundliches Bellen, aber es ist schon o.k., sie macht ja schließlich ihren Job und ehrlich gesagt, dass sich anbellen ist bei uns beiden mit der Zeit zu einem festen Ritual geworden.

 

Koras Herrchen gehörte der Ponyhof, wo sich Kinder, vor allem an den Wochenenden, eine Stunde lang auf dem Rücken eines Ponys durch die Felder und den Wald, meist von ihren Eltern führen lassen konnten. Mein Frauchen selbst hat derartige Ausritte als sie noch Kind war dort schon genossen, so wie später ihre Kinder auch und schon immer war ein Hund da, so wie Kora.

Koras Herrchen liebte seine Tiere und obwohl er inzwischen schon alt war und ihm die Arbeit immer schwerer fiel und die Reitsaison von Frühling bis Herbst kaum noch die Kosten deckte machte er weiter. Doch eines Tages erkrankte er schwer und seine Kinder und Enkel übernahmen die Versorgung der Tiere. Seine Hündin Kora, selbst inzwischen im Seniorenalter, wartete jeden Tag am Tor auf ihr Herrchen. Der alte Mann hingegen wurde immer schwächer. Als er sich kaum noch aus eigener Kraft fortbewegen konnte, ließ er sich von seinen Verwandten gestützt zu seinen Tieren bringen.

Doch schon kurz darauf kam der Tag, an dem er für immer verschwand. Kora jedoch wartete weiter am Tor auf ihr Herrchen. Alle Versuche Kora an ein neues Leben als Familienhund bei den Kindern des alten Mannes zu gewöhnen scheiterten. Nach nur einer Stunde Trennung von ihren Ponys wurde sie immer nervöser und ruhelos, erst wenn sie wieder hinter ihrem Tor war, konnte sie sich entspannen. Sie wollte weiter ihren Job tun, auf ihre Ponys aufpassen und vor allem auf ihr Herrchen warten, nur in ihrer vertrauten Umgebung wollte sie leben, das war ihre Welt, dort gehörte sie hin. Sogar als die Ponys längst woanders untergebracht waren, wollte Kora immer noch auf ihrem angestammten Platz verharren, nur dort wollte sie sein, denn sie hatte ja eine Arbeit übernommen und wartete weiter auf die Rückkehr ihres Herrchens. Der Sohn und die Tochter des alten Mannes ließen Kora schweren Herzens dort. Denn sie wohnen nur wenige Meter entfernt und somit ist es kein Problem die treue Seele Kora zu versorgen, sie mehrmals täglich zu besuchen und mit ihr spazieren zu gehen. Ebenso kommen täglich einige tierliebe Menschen vorbei, um Kora einen Besuch abzustatten und sie mit zusätzlichen Leckereien und Streicheleinheiten ein wenig zu verwöhnen.

Fünf Jahre sind seit dem Tod ihres Herrchens schon vergangen und Kora wartet noch immer. Jedes Mal, wenn sie einen schlanken, grauhaarigen Mann auf dem Weg entlang kommen sieht, ist sie sofort hellwach und läuft freudig bellend auf das Tor zu, sie gibt die Hoffnung, solange sie lebt nicht auf. Trotzdem ist die große Traurigkeit in ihrem Blick nicht zu übersehen, wenn Kora ihren Irrtum bemerkt, manchmal entgleitet ihr dabei ein leises, kaum hörbares Fiepen.

Inzwischen ist Kora siebzehn Jahre alt, taub und ihre Sehschärfe ist auch nicht mehr die beste, außerdem braucht sie länger als früher, bis sie das Tor erreicht, aber sie lebt mit der Hoffnung, dass sie eines Tages ihr Herrchen wieder sieht. Und mit jedem Tag der vergeht, kommt Kora diesem schon lang ersehnten Moment ein Stückchen näher.

 

Wir haben den ehemaligen Ponyhof fast erreicht, aber es ist still, viel zu still. Bisher hat die alte Kora mich schon immer erwartet. Doch nun bleibt alles ruhig, denn Kora ist nicht an ihrem Platz.

„Lass uns weitergehen Tónis, sie kommt nicht mehr, sie ist fort“, höre ich Frauchen rufen, „das lange Warten ist für Kora nun zu Ende.“

Ich bleibe noch einen Moment winselnd am Tor stehen, vielleicht kommt Kora ja doch noch aus einer Ecke heraus, aber niemand kommt, alles bleibt still und ruhig.

Frauchen ist schon weitergegangen, bleibt aber nun stehen und ruft:

„Tónis, komm jetzt!“ Ich drehe mich noch einmal kurz um, bevor ich nachdenklich hinter Frauchen her trotte.

 

©Ute Dissemond, Juni 2012

 

 

 

Deins ist immer schöner als meins

 

Mein Freund Max ist mal wieder zu Besuch, unsere Frauchen treffen sich regelmäßig und so besuchen auch wir Hunde uns gegenseitig. Nach einer schönen gemeinsamen Runde sind wir zu mir nach Hause gegangen und nun sitzen unsere Frauchen in der Küche, schlürfen Cappuccino und quatschen über den Rest der Welt.

 

Max ist ja eigentlich ein netter Hundekumpel, aber er hat doch eine Macke, die ganz schön nerven kann, er muss immer genau das Spielzeug haben, dass ich gerade habe. Was auch immer es ist, meins ist immer schöner als seins und er gibt nicht eher Ruhe, bis er es mir abgeluchst hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich ein zerlottertes Stöckchen habe, oder es sich um mein Lieblingsquietschtier oder sogar um meine Plüschente handelt.

 

Das Spiel läuft dann folgender Maßen ab, wenn wir nach Hause kommen suche ich mir immer eins von meinen Spielzeugen aus, um noch ein wenig darauf herum zu kauen. Nachdem ich sorgfältig und wohlüberlegt die Auswahl von meinen Kostbarkeiten getroffen habe, trage ich das Teil stolz wie Oskar, mit hoch erhobenem Haupt in der Wohnung hin und her, bei schönem Wetter auch draußen im Garten herum und suche mir einen geeigneten Platz, um zur Ruhe zu kommen, dann halte ich mein Spielzeug mit den Pfoten fest. Das ist dann der Moment, auf den Max nur gewartet hat, denn anstatt sich auch etwas von meiner reichhaltigen Auswahl an Spielzeug auszusuchen, wartet er aus dem Hinterhalt nur, bis ich mich damit hingelegt habe. Dann kommt er angerannt, kurz vor mir bleibt er stehen und robbt das letzte Stück auf mich zu, natürlich weiß ich genau was er mal wieder vor hat und drehe mich mit samt meinem Kram weg, aber er gibt keine Ruhe. Kaum habe ich mich weggedreht, scharwenzelt er schon wieder um mich herum und legt sich neben mich, dabei lässt er sich zur Seite kippen und tatscht mit seinen Pfoten nach mir, denn er weiß genau, dass ich größer und stärker bin als er. Nun beginnt er vorsichtig mit seiner Pfote nach meinem Spielzeug zu angeln und ich traue meinen Ohren kaum, als ich sein Frauchen höre:

„Ach, schau mal wie süß!“

Das darf doch nicht wahr sein, denke ich, dreist und raffiniert ist das, was Max macht, aber doch nicht süß, trotzdem ich muss zugeben, der Kleine hat Charme und auch ich kann seiner Art nicht wiederstehen. Max deutet das als Lob und Bestätigung und die Dinge nehmen ihren Lauf. Max schiebt seinen Kopf immer näher zu mir hin, es wirkt, als wollte er seinen Hals ausfahren, um sich nicht von der Stelle zu bewegen, dann erwischt er doch tatsächlich einen Zipfel von meiner Plüschente. Natürlich lasse ich mir die nicht so einfach wegnehmen, also lege ich demonstrativ meine dicke Pfote drauf und ich knurre Max leise an, zum Glück hat das Max’s Frauchen nicht gehört, aber Max lässt sich davon nicht beeindrucken, er kennt mich schließlich genau und zerrt weiter an meiner Ente und als das nichts nutzt, kneift er mich ins Ohr. So nun habe ich aber die Faxen dicke, springe auf und knurre ihn energisch an, nur dumm, dass ich dabei meine Plüschente nicht festhalten kann und das ist wieder einmal der Moment, auf den Max die ganze Zeit nur gewartet hat. Er schnappt sich mein Spieltier und wedelt stolz damit herum, das ist das Startzeichen für eine wilde Jagd, die nun beginnt.

Mit der Ente im Maul rennt er weg, ich natürlich hinterher und schon ist eine wilde Verfolgung im Gang. Frauchen springt auf und ruft:

„Hier drinnen wird nicht rum gerannt, los raus mit euch in den Garten, dort könnt ihr laufen, wenn ihr immer noch nicht müde seid.“

Hätte sie aber gar nicht sagen brauchen, wir waren sowieso auf dem Weg nach draußen. Max lugt gerade hinter den Büschen hervor und schwenkt die Plüschente dabei provozierend im Maul herum, ich renne selbstverständlich wieder hin und er ist schon wieder weg. Max ist schnell und wendig, er kann Haken schlagen wie ein Hase und ich renne immer hinterher, Grasbüschel fliegen durch die Luft und Frauchens Blumen knicken ab, nun ja man kann nicht auf alles Rücksicht nehmen, ein gewisser Schwund ist unvermeidlich. Aber auch ich weiß, wie ich Max dennoch austricksen kann. Als mir die Rennerei zuviel wird, ich bin schließlich kein junger Hüpfer mehr, wende ich mich desinteressiert ab, gehe nach drinnen und hole mir ein anderes Spielzeug. Dabei ist mir schon klar, was als nächstes passiert, Max lässt augenblicklich meine Ente fallen und versucht nun aufs Neue, mir das nächste Spielzeug abzujagen. Das ist dann die Gelegenheit für mich, meine Plüschente wieder zu erlangen, was wiederum Max nicht zulassen kann und so geht es mit all meinen Habseligkeiten den ganzen Nachmittag hin und her.

Als sich Max Frauchen verabschiedet, habe ich mich schon total verausgabt und auch die Energiereserven von Max scheinen allmählich nachzulassen.

Uff, das war ein Nachmittag, ganz schön anstrengend, so sehr wie mich jedes Mal auch freue Max zu sehen, so froh bin ich aber auch, wenn er wieder geht und hier anschließend wieder Ruhe einkehrt, auf Dauer wäre mir ein Hundekumpel wie Max doch zu stressig.

Machs gut Max, bis zum nächsten Mal, ich brauch jetzt erst mal eine Pause und auch sein Frauchen sagt noch zu meinem:

„Tónis hat einen guten Einfluss auf meinen Max, immer wenn die Beiden so schön miteinander gespielt haben, ist Max anschließend völlig zufrieden und ausgeglichen, sonst bekomme ich ihn überhaupt nicht müde.“

„Ja, auch Tónis ist nach solch einem actionreichen Nachmittag immer hundemüde, dann tschüß bis zum nächsten Mal.“

 

Anschließend begibt sich Frauchen dann in den Garten, um die umgeknickten Blumen wegzuräumen, unsere Buddellöcher zuzugraben und somit die hinterlassenen Spuren eines abwechslungsreichen Nachmittags zu beseitigen.

 

©Ute Dissemond, Mai 2012

 

 

 

 

Eine wichtige Aufgabe

 

Jeden Morgen um die gleiche Zeit sorge ich dafür, dass Frauchen pünktlich aufsteht. Sie stellt zwar immer ihren Wecker, der auch jeden Morgen läutet, aber trotzdem ist Frauchen etwas träge mit dem Aufstehen, sie braucht morgens neben einen starken, doppelten Espresso einen zuverlässigen Wecker, um so richtig in Gang zu kommen. Herrchen ist nun mal für diese überaus wichtige Aufgabe absolut nicht zu gebrauchen, er schläft so fest, dass man meinen könnte ein Bär hält Winterruhe. Noch nicht einmal seinen eigenen Wecker hört er, damit er aufwacht muss Frauchen ihn rütteln. Aus diesem Grunde habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, dafür zu sorgen, dass Frauchen nun ja nicht verschläft, ich brauche schließlich pünktlich mein Frühstück. Ach, was würden meine Menschen nur machen, wenn sie mich nicht hätten?

 

Schon einige Minuten bevor der Wecker losgeht bin ich bereit, ich warte nur noch auf das erste Wecksignal, dass dann immer lauter und schneller wird. Sobald ich den Ton höre lande ich mit einem geübten Sprung mitten auf Frauchen.

Zuerst muss ich sie ein wenig mit meiner Nase anstupsen und anschließend durch das Gesicht schlecken. Spätestens jetzt gibt sie merkwürdige Töne von sich und versucht sich vor mir unter der Bettdecke zu verstecken. Aber sie hat keine Chance, wie der weiße Hai robbe ich geschickt unter ihr Plumeau, bis ich erneut ihr Gesicht erreicht habe. Nun ist sie schon hellwach und tastet mit der Hand nach dem, immer noch vor sich hin tutenden, der Wecker. Manchmal misslingen ihre Versuche, den Wecker ohne Licht auszuschalten und das Ding landet auf dem Boden. Dieses Exemplar scheint jedoch unzerstörbar zu sein, denn es hat schon viele Abstürze überstanden.

Nachdem das Weckergeräusch endlich verstummt ist, versucht sich Frauchen jeden Morgen noch einmal für ein paar Minuten umzudrehen. Aber nicht mit mir, das könnte ihr so passen. Schnell renne ich ins Wohnzimmer, um mein Lieblingsquietschspielzeug zu holen, damit quietsche ich ihr kräftig ins Ohr. Wieder gibt Frauchen nur merkwürdige Geräusche von sich, deshalb folgt sofort der nächste Versuch. Nun greife vorsichtig eine Haarsträhne und zerre ein wenig daran herum, ich muss schließlich unter allen Umständen verhindern, dass sie wieder einschläft. Oh, oh, ich glaub, das war ein ganz klein wenig zu fest gezogen.

„Tónis, lass dass, hör auf, sofort, das reicht, Schluss jetzt.“

Und schon springt sie aus dem Bett und stampft ins Bad. So, das wäre mal wieder erfolgreich geschafft, und langsam regt sich auch Herrchen, der von dem Lärm schläfrig aufwacht, bei ihm mache ich nun weiter, den bekomme ich auch noch aus den Federn gescheucht.

 

An manchen Tagen warte ich zur gewohnten Zeit vergebens auf das Startsignal. Der Wecker geht nicht an, Frauchen leidet offensichtlich unter regelmäßiger Vergesslichkeit, wie gut, dass sie mich hat, denn meine innere Uhr ist unbeirrbar, ich kennt die Aufstehzeit genau und ich bin ihr zuverlässiger Weckdienst, vollautomatisch auch an Sonn- und Feiertagen.

 

Wie gut dass sie mich, ihren Tónis hat!

 

©Ute Dissemond, April 2012

 

 

 

Frühlingserwachen und die Radfahrer

 

Kaum sind die Temperaturen wieder in den angenehmen Bereich gerückt, da überkommt die Menschen, dass unweigerlich das Verlangen, all ihre „Spielgeräte“, wie Fahrräder, Inliner oder auch nur die Joggingschuhe hervorzuholen und die Winterpause für beendet zu erklären.

An den ersten schönen Tagen im Frühling, herrscht jedes Jahr aufs neue der meiste Begegnungsverkehr. Es sind vor allem Radfahrer, die uns Hunden mit ihren Menschen, das Leben manchmal schon ganz schön schwer machen. Okay es sind nicht alle, sondern immer nur einige wenige, aber die haben es in sich. Damit es in diesem Jahr weniger Konflikte und sich jahraus jahrein wiederholende Missverständnisse gibt, möchte ich an dieser Stelle einige Tipps geben und ich kann Euch versichern, so schwer ist es gar nicht, sich diese wenigen Dinge zu merken, Ihr werdet sehen, dass kriegt man auf die Reihe.

 

Auch wenn manche Radfahrer fest davon überzeugt sind, dass es anders ist, aber Herrchen und Frauchen sind ganz normale Menschen, die haben keine versteckten Augen im Hinterkopf und über Rückspiegel, verfügen sie auch nicht. Ihr kommt von hinten, fast lautlos, mit einem Affenzahn angebraust, wer würde sich da nicht erschrecken, weil man Euch nicht früher bemerkt? Wenn Hunde sich erschrecken, kann es schon mal passieren, dass sie bellen oder in die Luft schnappen.

Es ist ja ganz toll, wenn es einigen doch noch einfällt, die Klingel zu benutzen oder sich anderweitig bemerkbar zu machen, aber bitte tut es rechtzeitig und nicht erst dann, wenn Ihr uns schon in den Hacken steht, damit Frauchen und Herrchen wenigstens noch einige Sekunden bleiben, um mich am Rand „Sitz“ machen zu lassen. Das machen meine Leute sogar unaufgefordert, vorausgesetzt es bleibt uns ein Moment Zeit dafür.

Mal ehrlich, was macht man normalerweise, wenn vor einem ein deutlich langsameres Hindernis auftaucht? Ist es zumutbar, dass Tempo zu reduzieren, soviel Rücksichtnahme ist doch nicht zuviel verlangt, oder? Dann hätten Herrchen und Frauchen wenigstens die Chance mich abzurufen bzw. meine Leine einzuholen.

Übrigens auf „Sitz“ höre ich ausgezeichnet. Wenn Ihr dann auch noch soviel Respekt aufbringen könntet, mir nicht über die Rute oder gar über die Pfoten zu fahren würde ich mich sehr freuen. Im Gegenzug und darauf gebe ich mein Hundeehrenwort, werde ich dann in Zukunft auch von Versuchen absehen, Euch am Hinterrad zu erwischen und wir würden garantiert alle viel besser miteinander auskommen, ehrlich, Pfote drauf.

 

Ich gönne Euch den Spaß mit Euren schnellen Rädern, aber gönnt mir doch auch ein wenig Spaß am freien Herumlaufen. Bedenkt bitte, Ihr könnt mit Euren Rädern überall herumfahren, aber meinen Leuten und mir bleiben nur wenige Stellen in der Natur an denen auch ich frei und gefahrlos herumlaufen darf.

Also, wenn wir uns das nächste Mal begegnen, noch besser, bevor wir zusammentreffen, einfach rechtzeitig klingeln oder sich anderweitig bemerkbar machen, etwas langsamer werden, damit uns Zeit bleibt auf Seite zu gehen, dann würden alle Beteiligten egal ob mit oder ohne Rad den Ausflug in die Natur noch entspannter erleben, das wäre doch schön, nicht wahr?

Keine Bange meine Leute sorgen für einen reibungslosen Ablauf, Fußtritte in meine Richtung und Beschimpfungen zu meinen Leuten, weil wir nicht schnell genug zur Seite gesprungen sind, sind absolut überflüssig und kontraproduktiv und genauso vollkommen unnötig, wie mit kleinstmöglichem Abstand an uns vorbei zu rauschen. Trotzdem ein herzliches Dankeschön, dass Ihr es diesmal geschafft habt uns nicht zu touchieren.

 

Aber ich glaube manche Menschen können gar nichts dafür, es liegt einfach nur an der erhöhten Sitzposition, die sich negativ auf ihr Sozialverhalten auswirkt. Warum sollten sich die Menschen in dieser Eigenschaft von uns Hunden unterscheiden?

Zum Glück tritt dieses unerwünschte Verhalten, bei Menschen, wie auch bei uns Hunden nur bei wenigen Exemplaren auf. Die meisten Radfahrer, Inlineskater und Reiter sind durchweg freundlich und bedanken sich jedes Mal, wenn wir zur Seite treten und ruhig abwarten, bis sie an uns vorbei sind.

Mit etwas gutem Willen und gegenseitiger Rücksichtnahme klappt es immer noch am besten, das gilt natürlich auch für die Leute mit Hund.

 

©Ute Dissemond, März 2012

 

 

Die Sache mit der Brille

 

Mein Frauchen ist schon eitel, aber trotz aller Bemühungen geht auch an ihr die Zeit nicht ohne Spuren vorbei und manche Dinge lassen sich einfach nicht verbergen. Mir ist es schon länger aufgefallen, dass sie auf die Entfernung hin nicht mehr so gut sieht wie früher. Weil sie wieder einmal einen Greifvogel für ein geducktes Kaninchen hielt und sehr erstaunt war, als das Kaninchen plötzlich weg flog, meinte sogar Herrchen, dass ihr eine Brille nicht schaden würde. Einige Zeit und ein paar Blamagen später hat sie sich doch dazu durchgerungen, wenigstens wenn sie mit mir unterwegs ist und beim Autofahren die Brille zu tragen.

 

Letzte Woche war ich mit Toby unterwegs. Toby wohnt hier in der Nachbarschaft und ist mein Freund. Meistens darf er seine Leute auf Reisen begleiten, aber manchmal macht er auch bei mir Urlaub. Er ist ein seltener Sealyham Terrier und mit seinen fast vierzehn Jahren, eigentlich schon ein richtiger Opahund, aber das darf man ihm nicht sagen, sonst meint er gleich wieder einem das Gegenteil beweisen zu müssen. Außerdem ist er ein wahrer Meister im Menschen austricksen, von ihm kann sogar ich noch etwas lernen.

 

Also, wir waren auf einem Feldweg unterwegs, der viele Regen in den vergangenen Tagen hatte die Waldwege so matschig werden lassen, dass Frauchen keine Lust hatte dort zu gehen. Toby war das ganz recht, denn er mag es überhaupt nicht, wenn der Matsch gegen seinen Bauch spritzt und er nachher abgeduscht werden muss, mir wäre es egal gewesen, aber was soll’s. Wir fuhren mit dem Auto zum Ortsrand, parkten auf dem Parkplatz des neuen Einkaufzentrums und von dort aus ging es ein kurzes Stück über den ebenfalls neuen Radweg direkt ins Feld.

Ich schnüffelte hier und da und Toby musste seine Nase immer genau dahin stecken, wo meine gerade war, manchmal kann das ganz schön nervig sein. Im Gegensatz zu mir darf Toby fast überall ohne Leine laufen, er jagt nie, er hüpft nur von einem Mauseloch zum nächsten und buddelt für sein Leben gern, sagen seine Leute immer. So hatten wir schon die halbe Strecke zurückgelegt, als Toby immer langsamer wurde. Frauchen hat das natürlich auch bemerkt und meinte, es wäre besser den Weg etwas abzukürzen. Sie vermutete, dass Toby nicht mehr kann und wollte nicht, dass er sich überanstrengt.

 

Von wegen, der kann nicht mehr, ihm war langweilig geworden. Die Abkürzung ging über einen Grasweg, auf dem Feld daneben war Raps angepflanzt, der war zwar noch sehr kurz, aber schon deutlich zu erkennen. Toby machte es wie immer Spaß, bellend ein paar Meter in das Feld zu laufen, um Vögel aufzuscheuchen. Er rennt dann nur einige Meter, bevor er wieder umkehrt, von seiner Bummlerei war nichts mehr zu spüren. Ich wollte es ihm nachmachen und lief soweit die Schleppleine reichte ebenfalls ins Feld hinein. Doch diesmal flogen keine Vögel weg, sondern ein Hase, der sich ganz flach auf den Boden geduckt hatte, sprang vor Schreck auf, als ich ihm zu nahe kam. Ohne zu zögen rannte Toby wie ein geölter Blitz hinter dem Hasen her, der natürlich gleich einen riesigen Vorsprung herausholte, doch Toby rannte weiter und weiter. Zu gerne hätte auch ich mich daran beteiligt, aber ich schaffte es nicht, mich von der Leine und Frauchen zu befreien. Schade, denn gemeinsam hätten wir ihn vielleicht kriegen können. Frauchen rief lauter und lauter nach Toby, der nur noch als kleiner weißer Fleck in der Ferne zu erkennen war, Toby schaute sich nicht einmal um. Dann fiel Frauchen endlich wieder ein, dass Tobys Leute immer nach ihm pfeifen, wenn er sich mal etwas weiter entfernt. Frauchen holte Luft und wollte loslegen, normalerweise kann sie pfeifen was das Zeug hält, aber aus irgendeinem Grund ging es heute nicht, nur ein leises „pfh, pfh“ kam über ihre Lippen, sie versuchte es wieder und wieder, aber vor Aufregung bekam sie keinen anständigen Ton heraus. Ich schaute sie verdutzt an, so was ist ihr ja noch nie passiert. Ich versuchte ebenfalls Toby am Horizont ausfindig zu machen, aber er war auch aus meinem Blickfeld verschwunden.

Wir blieben stehen und warteten, es dauerte und dauerte, bis wir Toby, als keines weißes Knäuel, das sich deutlich von dem grünen und braunen Untergrund abhob, auf dem oberen Weg ausmachen konnten. Er versuchte wahrscheinlich, zwischen den Überresten einer Feldhecke, die Spur des im Zickzacklauf geflüchteten Hasen erneut aufzunehmen. Abermals rief Frauchen nach Toby, weil das Pfeifen ja nicht klappte. Ich erkannte deutlich, dass Toby in unsere Richtung blickte, aber er kam nicht, statt dessen machte er es sich am Wegrand gemütlich, wohlwissend, dass wir eh dort entlang kommen werden und wozu sollte ein kluger Hund sich dann die Mühe machen den ganzen Weg doppelt zu gehen. Toby hatte sich dazu entschlossen da auf uns zu warten.

Zum Glück hat sich Frauchen dann doch noch daran erinnert, wie verfressen Toby ist, deshalb ruft sie noch einmal, er schaut zu uns, jetzt schwenkt Frauchen deutlich zum Winken mit dem Arm und führt ihre Hand auffällig in die linke Jackentasche. Toby wendet sich in unsere Richtung und dann gibt er Vollgas, rennt quer über den Acker, direkt auf uns zu, er hat soviel Schwung drauf, dass er nicht mehr rechtzeitig bremsen kann und gegen Frauchen rennt. Ihre Hose hat jetzt ein lustiges Pfötchenmuster. Toby ist voller Freude. Klar er hatte einen Heidenspaß und vor Begeisterung wedelt nicht nur seine Rute, sondern der ganze Hund wackelt. Außerdem weiß er genau, was Frauchen immer in dieser Jackentasche hat, die absoluten Notfall Leckerchen, Lachshappen und kleine Stücke getrockneter Rinderlunge und die will er sich nicht entgehen lassen und erst recht nicht mir alleine gönnen. Noch während wir es uns schmatzend schmecken lassen, wird Toby angeleint.

 

Sichtlich geschafft aber auch erleichtert, dass Toby wieder heil bei uns ist machen wir uns auf den Rückweg. Am Parkplatz angekommen wird Toby erst einmal mit einem Handtuch vom gröbsten Schmutz befreit, der sein weißes Fell braun gefärbt hat, nur der Rücken ist noch weiß. Frauchen braucht dann auch noch einen Glimmstängel, um ihre Nerven zu beruhigen. Eigentlich raucht sie schon lange nicht mehr, aber für besondere Situationen hat sie immer noch ihre heimliche, vor langer Zeit schon angebrochene Reservepackung, wie passend, im Erste-Hilfe-Kasten versteckt.

 

Als Herrchen am späten Nachmittag nach Hause kommt will er, wie immer wissen wie der Spaziergang war. Frauchen hat sich natürlich längst wieder abgeregt und erzählt. Dann sagt Herrchen schmunzelnd: „Mit Brille wäre das nicht passiert.“

„Natürlich hatte ich die Brille dabei, aber ich habe den Hasen einfach übersehen, er war zu gut getarnt und dass Toby so davon stürmt hätte ich auch nicht für möglich gehalten. Er kann das Erbe seiner Vorfahren nicht verleugnen. Es ist einfach unbeschreiblich, dass ein so alter Hund noch ein derart rasantes Tempo über eine so lange Strecke vorlegen kann und wenn ich es nicht selbst gesehen hätte, würde ich es nicht glauben und wie überzeugend er mir vorher den müden alten Hund vorgespielt hat ist erst recht beeindruckend.“

Na, na, Frauchen, dass mit der Brille stimmt ja nicht so ganz, du hattest sie zwar im Auto dabei, aber als der Hase losrannte habe ich sie nicht auf deiner Nase gesehen, für ein Würstchen als Schweigegeld, bleibt es aber unser Geheimnis.

Dass Toby den Rest des Tages fast ausschließlich dösend auf dem Sofa verbrachte ist nicht verwunderlich, anstrengend war die Extratour für den Oldie schon.

Später am Abend telefoniert Frauchen noch mit Tobys Leuten, auch die waren völlig erstaunt über ihren Hund und sagten nur: „Das hat er wirklich noch nie gemacht!“

„Es ist zum Glück ja nichts passiert, aber solange er hier Ferien macht bleibt er außerhalb des Gartens an der Leine.“

 

©Ute Dissemond, Februar 2012

 

 

Jagdtrophäen

 

Es ist im Allgemeinen ja bekannt, dass vier- und zweibeinige Jäger erbitterte Konkurrenten sind, wobei vor allem die Zweibeinigen den Vierbeinern nichts gönnen.

Ich für meinen Teil finde die Jagd im Allgemeinen schon sehr interessant, wenn man bedenkt, was es da alles zu entdecken gibt.

Frauchen hingegen hält von der ganzen Sache überhaupt nichts und wenn sie das Gefühl hat, dass in unserer Nähe mal wieder eine Jagd stattfindet, dann ist es für mich „Essig“ mit Freilauf, was willst Du machen, so ist es nun mal.

Aber trotz dieser Vorsichtsmaßnahme, gibt es für mich doch immer wieder feine, kleine Erlebnisse am Rande, an die ich mich auch nach langer Zeit noch gerne erinnere, so wie die folgenden aus dem letzten Jahr.

 

Wir waren damals mit meiner Freundin Lotte und ihrem Frauchen unterwegs. Eigentlich war alles so wie immer, unsere Frauchen wunderten sich nur über die vielen am Waldrand abgestellten Geländewagen. Lustig vor sich hin schwatzend, es hört sich meiner Meinung nach immer wie Gänsegeschnatter an, wanderten wir den Hügel hinter dem alten Kieswerk hinauf zum Wald. Sicherheitshalber blieben Lotte und ich an der langen Leine. Alles schien ruhig, doch plötzlich schoss Lotte an mir vorbei und raste seitlich, soweit die Leine reichte zwischen den Bäumen hindurch. Ein kräftiger Ruck ließ Lottes Frauchen hinterher stolpern, noch immer zerrte Lotte vorwärts, aber ihr Frauchen hielt nach Kräften dagegen. Ich hatte natürlich auch längst gesehen was Lotte so interessierte und versuchte natürlich sie zu überholen, woraufhin mein Frauchen, die ebenfalls ins Straucheln geraten war, lautstark hinter mir her schimpfte. Endlich lag es vor uns, neben einem Baum lag auf Tannengrün gebettet, ein frisch erlegtes Wildschwein. Während unsere Frauchen erschreckt stehen blieben, wollten Lotte und ich nichts lieber als ganz dicht heran, doch die Leinen waren straff gespannt, wir sprangen hinein, um weiter vorwärts zu kommen und verfielen dabei in lautes Gekläff, dass in ohrenbetäubender Weise durch den Wald hallte. Wir waren so in Aufregung, dass wir zuerst den fast ganz in tannengrün gekleideten Mann überhaupt nicht wahrnahmen, der mit giftiger Miene, das Gewehr im Anschlag, hinter dem Nachbarbaum hervor lugte. So ein einfältiger Kerl, wollte der uns etwa Bange machen? Meine Aufregung wich augenblicklich in Wut und ich knurrte den Mann nun mit dunkler, tiefer Stimme an. Ich dachte mir nur, der scheint mein Frauchen nicht zu kennen, denn erstens würde sie nie erlauben, dass ich ein ganzes Wildschwein mitnehme und zweitens wird die zur Furie, wenn sie mich bedroht glaubt.

Doch diesmal wendete Frauchen zu meiner Verwunderung eine ganz andere Taktik an, sie grüßte den Miesepeter übertrieben freundlich und zerrte uns schnell weiter. Ihr Gesichtsausdruck war aber nicht wirklich freundlich, es sah eher nach einer versteckten Drohgeste aus, denn das Lächeln, dass sie aufgesetzt hatte, war für jeden halbwegs normalen Hund eindeutig als ein breites Zähneblecken zu durchschauen. Auf den Jäger schien es ebenfalls zu wirken, er ließ das Gewehr sinken und brummelte sich unverständliche Worte in seinen Bart hinein.

Je weiter wir gingen, desto mehr zweibeinige Jäger erblickten wir, dann hörten wir eine Horde Wildschweine ganz in unserer Nähe herumlaufen. Na, denen haben wir dann noch lautstark Bescheid gegeben. Anscheinend haben die Borstenviecher unsere Warnung sogar verstanden, denn wir hörten deutlich, wie sie sich wieder entfernten. Wenn die Blicke, die uns daraufhin von allen Seiten trafen, hätten töten können, dann wäre von uns jetzt ganz sicher niemand mehr am Leben. Trotzdem meinte Frauchen, dass es besser wäre, so schnell wie möglich aus der Schusslinie zu verschwinden und deshalb nahmen wir die Abkürzung an der nächsten Abbiegung. Unten am breiten Hauptweg angekommen hatten die „Schlaumeier“ doch tatsächlich ein Warnschild mit „Achtung Treibjagd“ aufgestellt, doch was war mit den anderen Wegen, die ebenfalls in den Wald führen, da stand nichts.

 

Bei einem anderen Ausflug fand ich direkt neben dem Weg die noch relativ frischen Innereien eines erlegten Waldtieres. Ich glaubte mich schon sicher, dass meine Leute nichts bemerken und wollte mir die Sache genauer aus der Nähe ansehen. Na ja, vielleicht wollte ich daran probieren und mir etwas davon mitnehmen. Keine Panik Leute, ich erspare Euch die Details, Ihr könnt beruhigt weiterlesen, braucht nicht in Ekelrufe verfallen, denn ich kann Euch versichern, meine Menschen haben es (leider) auch noch gerade rechtzeitig bemerkt und mich nicht dran gelassen.

 

Aber neulich, da hatte ich Glück. Okay zuerst hatte ich Pech, weil das Eichhörnchen, dass ich fast erwischt hätte noch rechtzeitig den Baum erreichte, aber dann hatte ich Glück. Erst vor kurzem fand wieder eine Jagd statt, wie immer war ich nicht mit von der Partie, aber vorgestern, als wir auf dem Rückweg einer unserer Runden waren fand ich, kurz bevor wir die Landstraße überqueren, einen Fuß, einen Wildschweinfuß. Was für ein Fundstück, ich hielt ihn fest im Maul, den geb ich nicht mehr her. Erst wollte Frauchen mich doch dazu zwingen, aber diesmal war Herrchen auf meiner Seite und meinte nur:

„Och gönn ihm doch den Spaß, damit kann er im Garten doch noch ein bisschen spielen.“

„Aber wehe er versucht auch nur einmal das Teil mit rein zu bringen!“,

entgegnete Frauchen sichtlich angewidert. In dieser Hinsicht ist sie fast wie die Jäger, die gönnen einem ja auch nichts. Ich für meinen Teil dachte mir nur, ich bin doch nicht blöd und so verstecke ich mein wertvolles Mitbringsel nach jedem Spiel sorgfältig an einer anderen, für Frauchen schwer zugänglichen Stelle im Garten, damit ich nach lange Freude an meiner bisher schönsten Trophäe habe.

 

©Ute Dissemond, Januar 2012