Plätzchenduft und „dicke Luft“

 

Herrchen und Frauchen haben vor einigen Tagen wieder jede Menge Kram aus dem Keller hinaufgeschafft und nun stehen und hängen überall im Haus Lichterketten und Lichterbögen, auch Adventskränze zieren wie in jedem Jahr die Tische. Natürlich hat Frauchen auch diesmal für reichlich Räucherstäbchen, Räucherkegel, Duftöle und Duftkerzen gesorgt. Herrchen und mir sind diese intensiven Gerüche des Guten zuviel, er nennt Frauchens Vorliebe für diese Dinge „Duftorgien“.

 

Heute jedoch habe ich gegen den Duft, der sich im ganzen Haus breit macht, nichts einzuwenden. Frauchen steht in der Küche und experimentiert, so muss man es wohl nennen, denn sie ist dabei verschiedene Sorten von Hundeweihnachtsplätzchen für meine Freunde und mich zu kreieren und lässt ihrer Fantasie dabei freien Lauf.

         Eigentlich sollte es ja eine Überraschung werden, aber die Gerüche verraten mir die Zutaten, es riecht nach geraspelten Möhren, Haferflocken, Erdnussbutter und Eiern (natürlich nur von glücklichen Hühnern, darauf achtet Frauchen schon seit langem). Außerdem nehme ich das durchdringende Aroma von Leberwurst, Fleischbrühe und Lachs wahr. Aber was sollen die Gläser mit Babynahrung in der Sorte: Rindfleisch, fein püriert, kommt das etwa auch in die Teigmasse hinein?

 

Herrchen hat von Frauchen die Aufgabe bekommen mich abzulenken, aber wie soll er das nur schaffen, bei all den verführerisch duftenden Zutaten. Wie Wolken scheinen die Gerüche durch die Räume zu schweben. Er kann sich heute abmühen und machen was er will, mich interessiert rein gar nichts. Statt dessen zieht es mich, wie von einem starken Magnet angezogen unweigerlich in die Küche. Natürlich weiß ich, wie sauer Frauchen werden kann, wenn ich mir dort, trotz sorgfältiger Überlegung, ständig den falschen Platz zum Zusehen aussuche und sie andauernd aufpassen muss, dass sie nicht über mich stolpert oder mir aus Versehen gar auf die Pfoten oder den Schwanz tritt. Deshalb habe ich mich so gut es geht unsichtbar gemacht. Ich habe auf meiner Matte unter der Bank Stellung bezogen, dass ist hier im Haus ein überaus wichtiger strategischer Punkt, von hier aus habe ich alles im Blick und werde selbst kaum bemerkt und wenn vielleicht doch mal was runterfällt, ja dann braucht Frauchen sich ganz sicher nicht mehr danach zu bücken, denn dann stürze ich hervor wie ein Torpedo und schon wird von mir alles gründlich entsorgt. Arbeitsteilung nenne ich das, Frauchen hingegen nennt mich dann immer Aasgeier, egal, ich weiß, dass sie es nicht böse meint und es ist ja irgendwie auch zutreffend.

 

Jedenfalls hat Herrchen seine Hundbeschäftigungs- und Ablenkungsversuche für heute gelangweit aufgegeben und den Fernseher eingeschaltet.

        

Die ersten Bleche mit drei verschiedenen Sorten Hundeweihnachtsplätzchen sind gerade fertig, Frauchen hat sie auf Backpapier ausgebreitet und zum Abkühlen auf den Tisch gelegt, als es an der Tür klingelt. Herrchen ist so vertieft, dass er davon nichts mitbekommt und deshalb eilt Frauchen hinaus.

         Erst warte ich noch einen Moment, weil ich ganz genau weiß, wie schnell hier „dicke Luft“ aufzieht, wenn ich mich selbst bediene, aber es dauert und dauert, mir läuft das Wasser im Maul zusammen, ich kann einfach nicht mehr anders, ich muss die Kekse probieren, einer muss es ja schließlich tun.

         Ich bekomme einen Zipfel vom Backpapier mit meinen Schneidezähnen zu fassen, das ein wenig über die Tischkante ragt und ziehe es langsam auf mich zu, dann lasse ich los und schon landet ein Keks nach dem anderen direkt vor meinen Pfoten, ganz schön clever, nicht wahr. Hm, sind die köstlich, alle, diesmal ist Frauchens Kreation ein voller Erfolg.

         Oh, ich muss mich beeilen, ich höre gerade, wie die Haustür geräuschvoll ins Schloss fällt und ihre Schritte näher kommen.

Ich bin eigentlich schon auf dem Weg zu Herrchen, im Vorbeilaufen will ich nur noch schnell ein wenig von den anderen beiden Sorten testen, die etwas weiter zurück stehen. Um da ran zu kommen muss ich mich ganz schön strecken, ich stütze mich dabei mit den Vorderpfoten an der Tischkante ab. Doch heute ist wirklich nicht mein Tag, was für ein Pech, ich bleibe in meiner Eile mit einer Kralle in der Tischdecke hängen und alles fällt mit lautem Gepolter zu Boden, Bleche, Teigschüssel, einfach alles. So schnell ich kann, sause ich zu Herrchen, beinahe wäre ich in der Kurve zum Esszimmer noch ins Schleudern geraten, aber gekonnt drifte ich direkt auf Herrchen zu, jetzt nur noch ein kleiner Hupfer und ich liege neben Herrchen auf dem Sofa, er ist meine Rettung und er versteht sofort den Ernst der Situation. Geistesgegenwärtig zupft er mir so schnell es geht die verräteririschen Krümel aus dem Fell, die nun auf seinem Wollpullover haften. Sanft ruht sein Arm auf meinem Rücken und so sind auch die Teigspuren verdeckt. Auch nicht schlecht für mich, wenn ich Glück habe, glaubt Frauchen, dass er es war.

„Ach nee, dass darf doch nicht wahr sein“ tönt ihr Entsetzensschrei aus der Küche und im gleichen Moment steht sie, mit den Armen wild um sich fuchtelnd vor uns, „Tónis, du alte Klaubacke, jetzt kann ich noch mal von vorne anfangen! Und wer wischt nun die Sauerei in der Küche weg? Du solltest doch auf unseren Meisterdieb aufpassen, statt dessen liegt der Pascha auf der Couch und nimmt diese bekleckerte Fellnase auch noch in Schutz.“ Mit diesen Worten bekommt Herrchen dann auch noch sein Fett weg.

 

Herrchen krault mir den vollgestopften Bauch und kann sich das Grinsen nicht verkneifen. Wenn es darauf ankommt, halten wir Männer immer zusammen. Nur gut, dass sie sein Schmunzeln nicht gesehen hat. Hoffentlich hat Frauchen sich die Zusammensetzung ihres Experiments vorhin aufgeschrieben und hat zudem noch genug von den Zutaten vorrätig, damit die nächste Ladung Kekse genauso lecker wird wie die erste.

 

Während sich aus Frauchens Mund immer noch ein Schwall nicht druckfähiger Schimpfwörter ergießt, entziehen wir uns gelassen dem Krawall und machen uns zu einer ausgiebigen Nachmittagsrunde bereit, das ist überhaupt das beste, was man in einer solchen Situation tun kann, warten bis sich die „dicke Luft“ wieder verzogen hat. So geladen wie heute war Frauchen schon lange nicht mehr. Sie ist nun mal sehr impulsiv und direkt, südländisches Temperament nennt es Herrchen und ich weiß, dass auf Donnergrollen mit Gewitterwolken stets Sonnenschein folgt. Man muss Frauchen jetzt nur lange genug in Ruhe lassen, damit sie Zeit hat, um sich zu beruhigen. Da kann ich Herrchen nur zustimmen. Wir beide wissen es schon jetzt, spätestens heute Abend, bei einem Glas Rotwein, der bei der richtigen Temperatur sein blumiges Bouquet voll entfaltet, wird sie selbst darüber lachen und mir einige Probierkekse zustecken. Wenn ich ganz viel Glück habe und einen günstigen Moment abwarte, kann ich vielleicht sogar einen Schluck aus ihrem Glas stibitzen, heute darf ich mich dabei jedoch auf keinen Fall erwischen lassen, denn sonst ist es mit der gerade erst wiedergewonnenen, friedlichen Stimmung schnell vorbei. Bleibt nur zu hoffen, dass Herrchen zur Beschwichtigung nicht nur eine Flasche von unserem Lieblingswein aufmacht, sondern auch noch daran denkt, passende Musik einzuschalten und die Kerzen anzuzünden, und somit für ein gemütliches Ambiente sorgt, das hat bisher noch immer geklappt.

 

In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern eine stimmungsvolle Vorweihnachtszeit, fröhliche Festtage und einen guten Rutsch in neue Jahr.

 

Euer Tónis

 

©Ute Dissemond, Dezember 2011

 

 

 

Entdeckerrunde

 

Letzte Woche habe ich zufällig mitbekommen, nicht dass jemand denkt ich hätte gelauscht, wie Frauchen mit einer Freundin telefoniert hat. Die hat nämlich einen neuen Hund, es ist eine Sie und das neue Hundemädchen ist noch ziemlich jung, etwas zurückhaltend gegenüber Menschen und hat auch sonst noch nicht viel von der Welt gesehen. Sie kommt ursprünglich aus dem gleichen Land wie ich, also Verständigungsprobleme sollte es zwischen uns wohl keine geben. Frauchen meint, dass es für die Kleine gut wäre, mal einen Ausflug mit einem souveränen, geduldigen und erfahrenen Hund wie mir zu machen. Da muss ich ihr Recht geben, mich bringt so schnell nichts aus der Ruhe und gegen die Gesellschaft von jungen Hundedamen habe ich ganz bestimmt nichts einzuwenden.

 

Gestern war es dann soweit, wir trafen uns zu einer gemeinsamen Runde. Es ging bei uns durch den Wald. Die kleine Hundedame fand ich sofort niedlich, aber bei ihr dauerte es eine Weile, bis sie sich zu mir hin traute. Ich musste tief in die Trickkiste der Überredungskünste greifen, bis ich sie endlich soweit hatte, dass wir zusammen ein Rennspiel veranstalten konnten. Vielleicht lag es an dem doch beachtlichen Größenunterschied zwischen uns, aber meine Beharrlichkeit siegte auch diesmal wieder.

 

Als wir so unterwegs waren, für mich war es eine ganz normale Runde bei der nichts aufregendes passierte, so war es für die Kleine doch die reinste Entdeckungstour. Sie lief vom Wind aufgewirbelten Blättern hinterher, fing heruntergefallene Tannenzapfen auf, warf sich diese in die Höhe und sprintete wieder hinterher. Hier fand sie einen kleinen Ast zum benagen, dort Eicheln, Kastanien und Bucheckern, die sie mit ihren blitzweißen spitzen Zähnchen zerknackte und erneut zu den nächsten Fundstücken jagte, um auch diese mit den Pfötchen, fast wie es Katzen machen, anzuspringen und zu fangen. Als wir an einem erst kürzlich abgeernteten Maisfeld vorbei kamen, fand sie noch einige vertrocknete Blätter, die sie auf die gleiche Weise erst einmal fangen musste, um sich anschließend ausgiebig um die Ohren zu schleudern. Einen Stängel einer Maispflanze nahm sie als Souvenir mit nach Hause und als wir auf dem Rückweg an den Obstbäumen vorbei kamen, die den Weg säumen, fand sie zu guter Letzt noch einen kleinen Apfel im Gras liegen. Ich weiß nicht ob sie den irrtümlich für einen Ball hielt, oder nach Katzenmanier erst mit dem Futter spielen muss, bevor sie es frisst, Tatsache ist jedenfalls, dass sie auch damit jede Menge Spaß hatte. Kurz vor meinem Haus hat sie dann noch auf der Straße einen vom Wind abgerissenen Wedel Pampasgras gefunden. Natürlich musste der Hundezwerg auch dieses lange Ding mitschleppen. Zuerst zog sie es ein Stück hinter sich her, dann hat sie es in der Mitte durchgebissen und vor der Haustür hat sie sich den weichen Wedel um die Ohren gehauen und anschließend mit den Zähnen zerrupft, dann war auch dieses Spielzeug ausgespielt und wir konnten rein gehen. Müde war die Kleine aber auch dann noch nicht, in meiner Spielzeugkiste war noch jede Menge Entdeckungsmaterial.

Auf unserer Runde haben wir natürlich auch einige Artgenossen getroffen. Ich lebe nun ja schon einige Jahre hier und in unserer Gegend kenne ich fast alle anderen Hunde, ich weiß also genau, wer freundlich ist und wer ein „Stänkerhannes“ ist, dem man besser aus dem Weg geht, oder wenn es denn sein muss, wie man mit ihm fertig wird, genauso wie ich weiß, wer hier als feiger Angeber herumläuft und wie man denen am besten Paroli bietet. Die junge Hundedame fühlte sich in meiner Gegenwart ausgesprochen sicher und traute sich an geeignete Spielgefährten auch ohne Scheu heran. So gelassen hatte ihr Frauchen sie bisher draußen, in fremder Umgebung noch nicht erlebt.

 

Auch mir hat der Ausflug sehr viel Freude bereitet, es war eine schöne Abwechslung für mich, vor allem deswegen, weil sich das junge Tierchen immer wieder zu mir hingezogen fühlte, so als wollte es von mir lernen, aber anstrengend war es dennoch, denn dass großer Bruder spielen, war für mich ungewohnt. Jedenfalls unsere Frauchen waren vor allem darüber regelrecht begeistert, wie selbstsicher die kleine Hundedame mit einem Mal war und die beiden Frauen waren davon überzeugt, dass das ausschließlich mir und meinem ruhigen und ausgeglichenen Wesen zu verdanken war, was ich wiederum nur bestätigen kann. Wir Hunde brauchen eben Artgenossen, nur von ihnen können wir so die im Leben wirklich wichtigen Dinge lernen und deshalb war das auch bestimmt nicht unsere letzte Entdeckungstour, ich freue mich schon, ebenso wie meine neue Freundin, auf unsere nächste gemeinsame Runde.

 

©Ute Dissemond, November 2011

 

 

 

Motorrad mit Hund

 

Nachdem wir uns schon beinahe auf nasskaltes, ungemütliches Herbstwetter eingestellt hatten, Frauchen hatte schon die Dekoration umgeräumt, jetzt war mal wieder die Zeit mit den Trockensträußen, Kürbissen und orange-bunte Dekofiguren. Außerdem hatte sie bereits den Kleiderschrank umgekrempelt, das heißt bei ihr, die Sommersachen kommen weiter nach oben und die wärmeren Kleidungsstücke kommen eine Etage tiefer, damit sie besser herankommt. Der Wald beginnt auch schon mit einem wahren Feuerwerk an Farben aufzuwarten, bevor der große Blätterregen beginnt. Als dann die Sonne eines Tages doch noch einmal zum Vorschein kommt und zwar so richtig kräftig, es war als nähme sie alle Kraft zusammen, um uns doch noch einige schöne Altweibersommertage zu verschaffen, ein letztes Aufbäumen des Sommers, der sich noch nicht so ganz zurückziehen will, da erwachen die Menschen zu neuem Tatendrang.

 

Die angenehmen Temperaturen, die wohlig wärmenden Sonnenstrahlen und ein wolkenloser, blauer Himmel locken nicht nur uns in die Natur, heute sind wirklich viele Menschen unterwegs. Wir gehen immer viele verschiedene Wege, diesmal entscheiden sich Herrchen und Frauchen für eine Route die uns über die Feldwege führt, somit haben sie die Möglichkeit noch ein wenig pure Sonnenstrahlen zu tanken. Einer dieser Pfade, liegt nahe der Autobahn, dort gehe ich, auch wenn es sich merkwürdig anhört, sehr gerne spazieren, denn da ist die Gelegenheit zum Mäusefangen jederzeit sehr günstig. Manchmal kann ich mich gar nicht entscheiden, in welches Mauseloch ich meine Nase zuerst stecken soll. Dass die Mauselöcher auch immer so klein sein müssen ist sehr unpraktisch, aber wozu habe ich starke Pfoten. Wenn die Erde hinter mir mit einigen Grasbüscheln dazwischen so richtig weit fliegt, dann habe ich den meisten Spaß. Meine Menschen gönnen mir diese kleine Freude des Lebens. Sie meinen, ein Hund muss auch mal nur Hund sein dürfen und außerdem komme ich, solange ich den Mäusen hinterher springe nicht auf die Idee andere Tiere zu jagen. Und so ist es auch, dass muss ich hier eingestehen, es ist mir schon so mancher Hase unbemerkt fast über die Pfoten gelaufen, weil ich mich so auf die Mäuse konzentriert habe.

 

In einiger Entfernung bemerke ich ein Motorrad, dass am Rand steht. Traktoren und andere landwirtschaftlichen Geräte kenne ich längst, auch Lastwagen bringen mich nicht aus der Ruhe, aber ein Motorrad ist mir hier mitten in den Feldern noch nie begegnet. Als wir näher kommen, sehe ich einen Menschen, der ganz in schwarze Lederhaut gehüllt ist, von dem Feuerstuhl steigen. Er ist gerade dabei, seinen Helm abzunehmen und auf das Gefährt zu stellen. Nun sehe ich noch etwas auf Rädern, das fest an dem Zweirad befestigt ist. Was fummelt dieser komische Mensch da herum? Ganz geheuer ist mir das nicht, aber meine Neugier ist bereits geweckt und so schnell wie möglich will ich dorthin, meine Leute scheint das jedoch alles völlig kalt zu lassen.

 

Wir sind nur noch wenige Meter von dem Ding entfernt. Ich glaube ich sehe nicht richtig, in dem „Anbau“ sitzt ein Hund, na der hat Nerven, mit diesem coolen Typ muss ich unbedingt ein wenig plaudern. Gedacht, getan, ich beschleunige und renne bis zum Anschlag in meine Schleppleine. Herrchen stolpert hinter mir her, weil er mit Frauchen am Quatschen ist und mal wieder nicht auf mich geachtet hat, typisch.

 

Kurz bevor ich den Hund erreiche, der währenddessen aus dem Beiwagen gesprungen ist, halte ich an. Das hätte ich auch ohne begrenzende Schleppleine gemacht, ich weiß schließlich wie man sich als anständiger Hund zu benehmen hat.

 

Er ist netter Artgenosse und heißt Rocky. Er hat sogar eine eigene Schutzbrille für die Augen, wegen dem Fahrtwind, wie er mir erklärt. Er liebt Touren mit dem Motorrad, den Beiwagen hat sein Herrchen extra für ihn anfertigen lassen, damit er immer mit dabei sein kann. Er sagt, dass es ein tolles Gefühl ist, wenn einem der Wind so um die Schnauze weht, so kann er viel mehr Gerüche aus der Umgebung aufnehmen, als wenn sie mit dem Auto unterwegs sind und Angst hat er dabei überhaupt nicht. Das einzigste, was etwas unangenehm ist, ist plötzlich einsetzender Regen, aber der ist ja heute nicht zu befürchten. Die Beiden haben hier nur eine Rast auf ihrer weiten Tour eingelegt, damit Rocky sich ein wenig die Beine vertreten, etwas mit seinem Ball spielen, herumschnüffeln und dringende Geschäfte verrichten kann.

 

Ich bin mir nicht so ganz sicher, was ich von dieser Reisevariante halten soll. Einerseits würde ich so eine Mitfahrgelegenheit gerne einmal selber testen, aber andererseits bleibe ich doch lieber bei der gewohnten Art im Auto mitzufahren, wenn mir zu warm ist und ich anfange zu hecheln, lassen meine Menschen die Seitenscheiben herunter, so dass auch mir der Fahrtwind um die Nase weht und wenn es besonders schön ist, dann wird auch noch das Schiebedach geöffnet. Ich bin damit zufrieden, außerdem bleibe ich bei Regen auf jeden Fall immer schön trocken, auch wenn ich bereits seit einigen Jahren hier lebe, an den häufigen Regen werde ich mich wohl nie gewöhnen.

Bevor mein neuer Freund Rocky wieder weiter muss und ich meinen Leuten hinterher sprinte, wünsche ich ihm noch eine gute Reise, vielleicht trifft man sich ja irgendwann noch einmal wieder, man weiß ja nie.

 

© Ute Dissemond, Oktober 2011

 

 

Die falsche Tomate

 

Inzwischen reifen in meinem Garten die Tomaten. Ich kenne Tomaten und mag sie sehr gerne, deswegen bin natürlich auch jeden Tag mit dabei, wenn Frauchen nachsehen geht, ob wieder welche reif sind.

 

In meinem Garten treffe ich auch immer wieder auf Elstern, die ich natürlich sofort verscheuchen muss. Diese komischen Vögel mit ihrem watschelnden Gang, aber ich muss zugeben, dass sie ein sehr schönen Gefieder haben, kommen jedes Jahr im Frühling und Frühsommer und machen Jagd auf die Vogelnester und die Jungvögel, die in meiner Hecke leben, die den Garten umgibt. So was geht ja nun gar nicht, also wenn hier einer jagt, dann bin ich das und sonst keiner, deshalb vertreibe ich dieses Federvieh jedes Mal mit lautem Gebell.

         Gelegentlich erwische ich die Elstern jedoch auch dabei, wie sie sich mitten auf dem Rasen niederlassen, um irgend etwas, dass sie woanders stibitzt haben bei mir in Ruhe zu fressen. So habe ich schon des Öfteren seltsame Sachen in meinem Garten gefunden, die normalerweise nicht einfach so vom Himmel fallen, wie zum Beispiel Walnüsse, vertrocknete Brötchen, madige Äpfel und so weiter. Doch was ich nun gefunden habe, toppt alles bisherige.

Als ich nach dem Spaziergang so meinen Garten durchstreife, um nachzusehen, ob noch alles in Ordnung ist, liegt plötzlich mitten auf dem sattgrünen Rasen eine reife Tomate, so denke ich jedenfalls. Also, ich nix wie hin, bevor Frauchen etwas mitbekommt, denn sonst kann ich mich wieder nur mit einem kleinen Stück begnügen und sie behält das meiste für sich. Voller Erwartung beiße ich hinein, aber das Ding ist hart wie ein Knochen und der Geschmack erinnert nicht im Entferntesten an eine Tomate und erst als ich es wieder ausspucke und gründlich abschnüffle, bemerke ich, dass es auch nicht so riecht. Im gleichen Moment sehe ich, wie auch Frauchen schon angerannt kommt. Natürlich will sie nachsehen was ich gefunden habe, na ja, was will man machen, sie ist nun mal ein Kontrollfreak. Nicht weniger verwundert als ich, nimmt sie die steinharte Tomate auf und ruft Herrchen entgegen:

„Tonís hat einen tomatenroten Golfball auf dem Rasen gefunden, wie kommt der nur hierher?“

„Ich denke, den wird eine der Elstern hier verloren haben.“

„Was wollte die nur damit?“

„Vielleicht war es lediglich ein Versehen und als sie ihren Irrtum bemerkte, hat sie das nutzlose Ding einfach liegen lassen.“

„Tonís sollte jedenfalls nicht damit spielen, dass ist nicht gut für seine Zähne und außerdem ist dieser Ball viel zu klein für ihn, nicht dass er ihn aus Versehen noch in den Hals bekommt.“

 

Und mit diesen Worten hat Frauchen dann den Tomatengolfball einkassiert und tief unten in der Spielzeugtruhe versteckt. Wozu das nun wieder gut sein soll, ist mir schleierhaft, denn Frauchen kann damit genauso wenig anfangen wie ich, die hat nämlich von Golfspielen null Ahnung, aber so sind die Menschen nun mal, rätselhafte Wesen.

 

©Ute Dissemond, September 2011

 

 

Sommernachmittag

 

Heute ist ein richtig schöner Sommertag, der Himmel ist beinahe so leuchtend blau und wolkenlos, wie er es in meiner Heimat fast immer war. Hier kommt das ja nicht so oft vor und auch die Temperaturen sorgen heute bei mir für echtes Heimatfeeling.

        

Herrchen und Frauchen scheinen noch irgendetwas zu planen, hoffentlich darf ich mit, ich bin schon ganz aufgeregt. Au fein, wir fahren weg und ich darf mit. In der Stadt geht es wieder los mit der Parkplatzsucherei, Herrchen wird dann immer zickig und grummelt sich dabei unverständliche Dinge in den Bart, ist wohl auch besser, wenn man das, was er da vor sich hin murmelt nicht versteht. Endlich hat die Sucherei ein Ende und wir können los gehen.

Wir schlendern durch die Fußgängerzone, hier sehe ich immer wieder sehr gelangweilt dreinschauende Hunde, sie scheinen so gar kein Interesse an nichts zu haben, schnüffeln nicht herum, gucken nicht nach Artgenossen, gehen einfach nur trübsinnig neben ihren Menschen her, so wollte ich nicht leben.

An der ersten Eisdiele an der wir vorbei kommen ist es rappelvoll, nur drinnen, ist noch ein Tisch frei, aber wir gehen lieber weiter. Im nächsten Eiscafé ist draußen noch etwas frei. Meine Menschen lassen sich gleich auf die leeren Stühle plumpsen und ich lege mich unter den Tisch. Von dort aus habe ich alles im Blick und die Kellner sehen mich nicht gleich.

 

Das ist eine alte Vorsichtsmaßnahme, die ich mir in meiner Jugend in meiner alten Heimat angeeignet habe. Vor Kellnern musste man sich dort immer in Acht nehmen, die waren unberechenbar. Ganz schlimm waren diejenigen, die erst nett taten, einen anlockten und dann wurde man gepackt und man munkelte dort, dass das so manch einen von uns schon das Leben gekostet haben soll. Da waren mir die noch lieber, die einen nur fortjagten, aber man musste vor den Fußtritten höllisch aufpassen.

Hier brauche ich mir darüber zum Glück nicht mehr den Kopf zu zerbrechen, denn so lange ich mit meinen Menschen zusammen bin, hat nie wieder ein Kellner versucht mich zu vertreiben, oft bringen sie mir sogar extra eine Schüssel mit Wasser und in manchen Restaurants habe ich sogar schon Leckerchen bekommen, toll.

 

Nun ja, während ich so vor mich hindöse und meine Leute die Bestellung aufgeben, nimmt am Tisch nebenan eine Frau mit einem struppigen kleinen Hund platz. Sie kommt mir ziemlich hektisch und nervös vor. Pausenlos kramt sie in ihrer Handtasche und in den Einkaufstüten und hängt ihre Jacke über den freien Stuhl. Genauso wie sie, ist auch ihr Hund, auch der kommt nicht zur Ruhe und trippelt von einem Bein aufs andere, weil ihm die Jacke die Sicht versperrt und er die Passanten nur noch wenig im Blickfeld hat.

Als der bestellte Bananensplitt serviert wird, weiß die Frau offensichtlich nicht wohin mit der Rollleine. Da begeht sie, einen schweren Fehler, sie stellt ein Stuhlbein in die Öffnung des Haltegriffs, ohne die Leine am Knopf einrasten zu lassen. Während sie nun beginnt ihr Eis zu löffeln hat der struppige Hund die Leine bereits mehrfach um den Tischstempel gewickelt. Von links nähert sich ein Artgenosse. Der sieht für mich ziemlich eingebildet aus, er trägt die Nase genauso hoch wie sein Besitzer, würde es regnen, bliebe bei beiden das Wasser im Riechorgan stehen.

Der kleine struppige Kerl hat davon ebenfalls Wind bekommen und versucht durch aufgeregtes hin und her springen einen besseren Blick auf seinen potentiellen Feind zu bekommen. Als der vorbeigehende Hund auf Höhe des Struppigen ist, schnellt dieser, mit wildem Knurren und Bellen, wie ein Torpedo unter dem Stuhl mit der darüber hängenden Jacke hervor. Zunächst bremst ihn die Leine aus. Die Frau versucht verzweifelt an die am Stuhlbein hängende Leine heranzukommen, aber Tisch und Stühle sind schon ins Wanken geraten. Der Bananensplitt landet auf ihrem Schoß. Der vorbeigehende Hund und sein Mensch sind so erschrocken, dass sie einen Satz zur Seite machen. Endlich gelingt es der Frau die Leine ihres Hundes zu fixieren, was aber nichts mehr nützt, weil Tisch und Stühle bereits umgekippt sind. Das Chaos ist perfekt. Der Struppige kläfft noch immer aus voller Kehle dem anderen hinterher. Die Frau entschuldigt sich und hilft dem sichtlich verärgerten Kellner beim Aufräumen, bezahlt die Rechnung und verlässt danach so schnell wie möglich Geschehen.

Mich hat der kleine Struppige die ganze Zeit überhaupt nicht bemerkt. Tja, ich hab eben Übung im sich unsichtbar machen. Als wir gehen, bekomme ich von Frauchen noch ein dickes Lob:

         „Bin ich froh, dass wir einen mit allen Wassern gewaschen Straßenhund haben, die sind eben doch die Besten. Die wissen genau, wann es drauf ankommt sich unauffällig zu benehmen.“

         „Das ist wohl wahr,“ gibt Herrchen schmunzelnd zu, „nur leider weiß er aber auch, dass es Zuhause eben nicht unbedingt darauf ankommt.“

 

Ich habe mich jedenfalls bei dem Gratisschauspiel köstlich amüsiert, so actionreich müssten all unsere Ausflüge sein.

 

©Ute Dissemond, August 2011 

        

 

Begegnung am Bach

 

Neulich bin ich mit Herrchen und Frauchen mal wieder am Bach entlang spaziert, es war ein warmer Frühsommertag und wir gingen, jedenfalls meine Menschen gingen und ich lief gerade am Waldrand den Hang hinunter.

Dort werde ich immer schneller, denn ich liebe es bergab zu rennen. Unten nehme ich dann jedes Mal die Abkürzung quer über das hohe Weizenfeld und laufe dann kurz vor der Eisenbrücke die Böschung zum Bach hinunter, um dort mit Anlauf ins kühle Nass zu springen. An Tagen, an denen ich besonders gute Laune habe, tauche ich meinen Kopf ganz unter Wasser und mache mit meiner Schnauze kleine Wellen. Wenn meine Leute dann endlich auch ankommen, düse ich denen entgegen und gebe ihnen ein wenig von meiner Erfrischung ab, indem ich mir, zwischen den Beiden, so kräftig das Fell schüttele, dass die Wassertropfen aus meinem dichten Pelz mindestens einen Meter weit spritzen. Frauchen und Herrchen verziehen dann immer lustig ihre Gesichter und geben merkwürdige Töne von sich, ich glaube die freuen sich sehr darüber. Es handelt sich dabei meiner Meinung nach, um eine spezielle menschliche Art Freude auszudrücken und hinterher sind sie jedes Mal fast genauso nass wie ich.

 

Unser Weg führt nun über einen herrlichen Grasweg weiter, wo es für mich immer viel zu schnüffeln gibt. Nachdem wir an der nächsten Brücke die Dorfstraße überqueren setzen wir unseren Weg über einen asphaltierten, von hohen Bäumen gesäumter Pfad immer noch am Bach entlang fort.

 

Hinter der Biegung, gleich neben der Weide, auf der die schottischen Hochlandrinder grasen, sehe ich direkt vor uns, einen Raben auf dem Weg herum stolzieren. Es sieht schon irgendwie witzig aus, wie er da so mit hoch erhobenem Kopf und pechschwarzem Gefieder, das glänzt, als wäre es mit Olivenöl bepinselt worden, mitten auf dem Weg flaniert. Über uns in den hohen Bäumen krächzen zwei weitere Raben unaufhörlich laut herunter. Was haben die bloß und was glaubt dieser eingebildete Vogel am Boden nur wer er ist? Der Rabe auf meinem Weg macht nicht die geringsten Anstalten davon zu fliegen, im Gegenteil, ganz kess oder treffender gesagt, dreist dreht er den Kopf kurz in meine Richtung. Für einen minimalen Moment stutze ich irritiert, aber dann denke ich mir:

„Na warte, dir werde ich schon Beine machen.“ Gerade als ich zum Angriff durchstarten will, spüre ich an meinem Brustgeschirr einen unsanften Ruck und werde abrupt gestoppt. Das war mal wieder Frauchen, diese alte Spaßbremse und ich habe noch nicht einmal mitbekommen, dass sie mich überhaupt wieder angeleint hat. Schaden, den Vogel hätte ich leicht kriegen können.

Aber was macht dieses Viech am Boden, anstatt nun endlich wegzufliegen, flattert er nur mit den Flügeln, läuft schneller, krächzt herum, hebt dabei jedoch nur wenige Zentimeter vom Boden ab und als ich dann, dicht neben ihm, noch ein gedämpftes Wuff ertönen lasse, macht dieser Vogel einen unbeholfenen Hüpfer ins Gras am Uferrand. Die beiden anderen Krähen schreien jetzt noch lauter und aufgeregter als zuvor und kreisen dabei von einem Baumwipfel zum anderen über uns herum. Zu gern hätte ich mir diese leichte Beute quasi im Vorbeigehen geschnappt, aber Frauchen hindert mich daran und notgedrungen lasse ich mich von ihr an dem Vogel vorbei schleifen.

Nachdem wir uns ein Stück entfernt haben, bleiben Frauchen und Herrchen stehen und beobachten den Vogel, wie er sich nun wieder vorsichtig aus dem Gras heraus traut und erneut über den Weg schreitet. Als abermals ein Passant den Pfad betritt fangen die beiden Raben in den Bäumen erneut ein lautes Gezeter an, doch der Vogel am Boden scheint offenbar nicht genau zu wissen, wohin er gehen soll und läuft aufgeregt hin und her.

Frauchen sagt zu Herrchen:

„Das ist bestimmt ein Jungrabe, der noch nicht richtig fliegen kann. Wahrscheinlich war er zu neugierig und ist dort oben aus dem Nest gefallen.“

„Scheint mir auch so, viel Übung braucht er aber nicht mehr, um richtig fliegen zu können, ich schätze noch ein paar Versuche und er schafft es,“ entgegnet Herrchen.

„Das schon, aber diese Stelle hier ist für den jungen Raben äußerst gefährlich, hier kommen so viele Hunde vorbei. Wäre es nicht besser, den Vogel in Sicherheit zu bringen?“

„Nein, ich glaube, dass ist keine gute Idee, sieh doch nur, die Altvögel warnen ihn jedes Mal vor möglichen Gefahren und schau, sie scheinen ihn tatsächlich zu der momentan ungenutzten Weide dort drüben lotsen zu wollen. Warten wir hier einfach noch eine Weile und beobachten das Geschen.“

 

Ich kann Euch sagen, war das langweilig und was haben Herrchen und Frauchen mit einem Mal eine Ausdauer, ich weiß wirklich nicht, was die daran so interessant finden. Aber nach einer Unendlichkeit an Zeit, so kam es mir zumindest vor, hat es der „Dummvogel“ am Boden schließlich doch noch geschafft zu der leeren Weide zu stelzen und wir konnten endlich nach Hause gehen, wurde aber auch langsam Zeit.

 

Am nächsten Morgen will Frauchen allen Ernstes wieder nach dem Vogel sehen, diesmal starten wir unsere Runde andersherum. Als wir den Hügel zum Bach hinunterlaufen, diesmal bin ich an der langen Leine, sehe ich schon von weitem, bei dem Holzstapel am Feldrand, dort, wo im Herbst immer das Sankt Martinsfeuer abgebrannt wird, mehrere Raben umher hüpfen und vor sich hin krächzen. Einer davon stolziert über den Schotterweg, er ist etwas kleiner als die anderen und wie er die Flügel ausbreitet sind noch einige graue, weich aussehende Federn, an seinem Körper zu erkennen. Diesmal blickt er sich kurz um, beschleunigt sein Tempo, beginnt gleichzeitig mit den Flügeln zu schlagen, lässt dabei ein durchdringendes Krah, Krah ertönen und erhebt sich schließlich langsam in die Luft. Gut Fliegen will ich dieses Manöver nun noch nicht nennen, aber er hat es immerhin bis hinauf zu dem Holzstapel geschafft und setzt zur Landung an, die ihm sogar ganz gut gelingt.

„Siehst du“, sagt Herrchen zu Frauchen, „deine Sorge war unbegründet, er hat es geschafft und das Fliegen noch rechtzeitig gelernt.“

„Ich hoffe du hast Recht und wir finden gleich, unten am Bach, keine schwarzen Federn.“

 

Könnte ich reden, dann hätte ich Frauchen nun geantwortet: „O.K. dann mach mich endlich los, damit ich vorlaufen und schon mal nachsehen kann.“

Aber das war mal wieder nicht nötig, denn wie so oft verstehen meine Leute mich auch ohne Worte, denn genau bei dem Gedanken pfeift Frauchen mich heran und löst den Karabinerhaken von meinem Brustgeschirr.

 

Übrigens Federn habe ich unten am Bach keine gefunden, der junge Rabe hatte Glück und flattert jetzt mit seiner Familie geräuschvoll in der Gegend herum.

 

©Ute Dissemond Juli 2011